Backstein und Beats

The Brickhouse – Das Backsteinhaus, kein glaeserner Trendclub mit Huehnerfrauen in zu kurzen Flatterkleidern und stamp- fender Dance Music, sondern ein kleines, verstecktes Eiland in einer der Hoehlungen des Zuggleisaquaeduktes durch Manchester. Es ist klein, noch ist es leer, kalt wird es bleiben und feucht, vereinzelte Tropfen rinnen die Backsteinwaende herunter, die mit den Helden der jungen Vergangenheit tapeziert sind: Oasis, Happy Mondays, Stone Roses, Smiths, Joy Division/New Order, The Fall. Zuege rattern herueber oder muessen es zumindest – hoeren kann ich davon hier nichts.

Die Gaenger versuchen immer noch die 24 hour party people von damals zu sein, sind synthetisch verdrogt, obwohl sich Smiths’ Melancholio-Morrissey durch Trauerflor singt. Bei Cure’s >Lullaby< strahlt mich ein Maedchen aus vollem Leibe an, ihre Begleitung riecht an einem kleinen Flaeschchen, bevor es wieder in ihrer Jacke verschwindet, eine Gruppe irischer Maenner verzieht sich auf die obere, abgedunkelte Etage, von der aus die Tanzflaeche sichtbar ist, man selber aber nicht gesehen wird. Das Maedchen nimmt mich bei der Hand, zieht mich zu Robert Smith’s Fluestergesang auf die Tanzflaeche. Dance with me! Dance with me! Ich tanz mit ihr, waehrend uns die verkoksten Iren dabei zusehen.

Eine Viertelmeile Richtung Westen steht die Haçienda oder stand sie zumindest einmal. Das Madchester-Mekka, wummernde Wiederbelebungspumpe einer Stadt voller verrottender Textilmuehlen, einer der Haupttanzplaetze der Rave Revolution, 1997 geschlossen. Der Club Sankeys ist eines ihrer vielen Kinder mit unterschiedlichsten Gesichtern, ein House-Schuppen in einer verlassenen Backsteinmuehle im Stadtteil Ancoats, umgeben von einem lichten Schornsteinwald, an dessen Fuss leerstehende Muehlen ruhen, dazwischen noch mehr Lagerhaeuser aus Zeiten, als Manchester der Nabel der Industriewelt war.

Das Sankeys brummt in dieser duesteren Gegend, ich liess mich einmal in der Schlange nass regnen, holte mir zum tausendsten Mal in dieser Stadt patschnasse Fuesse, um dann mit meiner Begleitung zu beschliessen, dass man nicht alles gesehen haben muss. Das Maedchen im Brickhouse zieht mich wieder auf die Tanzflaeche, ihre weit geoeffneten Augen laecheln mich an, die Iren schauen uns immer noch zu, doch es schlaegt halb drei, die Nacht ist hier vorbei. Auf dem Nachhauseweg weiche ich Blutklecksen auf dem Strassenpflaster aus und gruesse zwei Tauben, die noch wach sind und hastig die besten Stuecke aus einem frischen, noch dampfenden Kotzhaufen picken, bevor stets drohender Platzregen ihn davon spuelen koennte.

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