Auf die Tube druecken

Seit 2006 stelle ich meine Poetry ueber Blogs ins Netz. Vorher hatte ich mich jahrelang mit den traditionellen Veroeffentlichungsmoeglichkeiten herumgequaelt, um nach grossen Muehen Arbeiten in Anthologien, Fanzines und auch in einem kleinen Verlag unterzubringen. Nunmehr betrachte ich dieses Medium als meine Form, mit der ich meine Kunst in die Oeffentlichkeit tragen kann. Und wenn ich den Statistiken der Blog-Betreiber einigermassen vertrauen darf, erreiche ich so mehr Leser als je zuvor. Da sind zunaechst eine kleine Schar von >Freunden<, meine Community, die sofort von jedem Eintrag informiert werden. Aus ihren Kommentaren weiss ich, dass es regelmaessige Leser sind. Es sind nicht viele, aber als experimenteller >Lyriker< entscheidet nicht die Quantitaet.

Mit einigem Aufwand an Zeit liesse sich die Zahl durchaus erweitern. So kann ich in den zweieinhalb Jahren meiner Praesenz im Internet heute monatlich mit etwa 450 aber auch manchmal ueber 50 oder gar 80 Besuchern pro Tag rechnen. Diese Zahlen schwanken staendig und sind abhaengig von der Anzahl meiner Beitraege und Aktivitaeten im Netz. Das ist gemessen an den Klicks populaerer Blogs wenig. Jemand schrieb mir mal: >Bei diesen Zahlen wuerde ich laengst den Blog eingestampft haben<. Fuer einen Kuenstler wie mich gelten andere Massstaebe. Man muss naemlich dabei beruecksichtigen, dass ich Poetry veroeffentliche, die extrem von der ueblichen Lyrik abweicht, weil sie sich aus Dada und Konkreter Poesie entwickelt hat. Ich kann ziemlich sicher vermuten, unter den Besuchern sind Fans, die regelmaessig vorbeischauen, um zu sehen, was es da wieder Neues zu lesen gibt. Und immer wieder kann ich Besucher registrieren, die fast besessen manchmal mehrere Hundert Seiten meiner Blogs durchforsten, um mich genauer kennen zu lernen. Allein mein Blog >PolitikerInnen-Worte< erreichte bisher ueber 25000 Seitenabrufe. So herrscht staendig ein lebhaftes Treiben in meinen Blogs. Dieses Interesse zeigt mir, wie kommunikativ das Netz auch fuer Aussenseiter im Literaturbetrieb ist. Wer nicht den grossen Aufwand regelmaessiger Lesungen auf sich nehmen kann und will, wird bei einer traditionellen Veroeffentlichung seiner Texte kaum ein Feedback haben.

Texte in den Blogs sorgen tagtaeglich fuer Ueberraschungen. Einmal die Leser, die nach Sinn und Inhalt fragen und eine Antwort fordern, was oft zum Dialog wird, dann auch Leser, die ihr Missfallen aeussern und keine Antwort wert sind, wobei das Loeschen von Kommentaren fuer Blogger verpoent ist und ich es bisher noch nie praktizieren musste. Verbale Ausrutscher kennzeichnen nur den Absender. Und nirgends sonst wird ein Autor spontane Begeisterung ueber einen Text so verbal-emotional erfahren, wie ein bloggender Poet. [Beispiele finden sich in den Kommentaren zu meinen Texten.]

Das Bloggen von Lyrik/Poetry bietet damit einen genuegenden Ersatz fuer die meist lahmen Diskussionen auf Lesungen. Ausserdem bleibt es jedem Poeten unbenommen, neben den Blogs seine Arbeiten auch auf Literaturveranstaltungen wie Poetry-Slams etc. vorzustellen.

Lyrik zu bloggen ist also durchaus eine Alternative und fuer Anfaenger auf jeden Fall reizvoll und spannend. Denn der Kuenstler ist damit wirklich autonom und kann frei seine Arbeiten praesentieren. Den Literaturbetrieb laesst er weit hinter sich. Entscheidend fuer seinen Erfolg sind allein seine Texte. Wer etwas Wichtiges zu sagen hat, wird auch gelesen werden. Die Weite der Netze oeffnet sich ihm. Mit ein wenig Kreativitaet und Geschick bewegt er sich so in einem Meer von Moeglichkeiten, die schier unerschoepflich sind. Es sind die Moeglichkeiten unserer Zeit, die sich ihm oeffnen.

Kunst hat sich immer dieser Moeglichkeiten bedient. Man denke nur an den Impressionismus in der Malerei, der das Aufkommen der Tubenfarben nutzte, was aus den engen Ateliers heraus zur Freilichtmalerei fuehrte und zu einer wesentlichen Weiterentwicklung in der Kunst fuehrte. Ich behaupte sogar, die sich jeweils oeffnenden technischen Moeglichkeiten bestimmten fast ausschliesslich die Veraenderungen unserer Kultur. Insofern fuehle ich mich als Kuenstler ganz vorne, wenn ich mich nur noch auf die heutigen Moeglichkeiten, naemlich das Internet als Kommunikationsmittel konzentriere.

Buecher wird es immer geben. Und es werden weiter liebevolle Lyrikbaende von Verlegern auf den Markt gebracht werden. Aber der heutige Kuenstler, sei er Poet oder bildender Kuenstler wird zur Realisierung seiner Arbeiten nicht mehr diesem Medium hinterherlaufen. Er darf es nicht, will er Kunst realisieren, die von heute ist. Er wird dazu das Internet als das Medium der Zeit brauchen. Erst wenn er hier angekommen ist, wird er auch Verleger finden, die aus seinen Texten >Buecher fuer die Ewigkeit< und >Buecher fuer den aesthetischen Genuss< machen. Brunopolik

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