Auf dem Index

Ist die Bedeutung des Satzes “Das ist ja abgefuckt hier” in seiner vom Anglizismen-Index des Vereins Deutsche Sprache angebotenen Uebersetzung ins Denglischfreie “Das ist ja verwahrlost hier” auch nur annaehernd wiedergegeben?

Oder kann sich wirklich jemand vorstellen, demnaechst in der Kneipe zu sagen >Lass mal Tischfussball spielen?< statt >Lass mal kickern?<. Bestimmt haetten sich in beiden Faellen aehnlich umgangssprachetaugliche, knappe und auf den Punkt zielende deutsche Worte finden lassen. Es kam aber nun mal nicht so. Und das hat ja auch seinen Grund. Sprache als System ist doch gerade durch staendige, von den Verhaeltnissen bestimmte Entwicklung erst konstituiert.

Wie kann man also ganz zufrieden mit wirtschaftlicher und kultureller Anlehnung an den angelsaechsischen Sprachraum sein, aber Deutschland am liebsten morgen anglizismenfrei melden wollen? Klar wird es recht albern, soll der Gebrauch des Englischen seinen Anwender bloss in Szene setzen. Leute, die von Beruf Key Account Manager sind und dringend zurueck ins Office muessen, weil noch ein Abstract zu schreiben ist, sind aber doch eher schon wieder unfreiwillig komisch – vorausgesetzt, man kann Englisch. Statt Lehrern Handreichun- gen wider das Denglische zur Verfuegung zu stellen, sollten diese Sprachverteidigungs- vereine eine Kampagne fuer anstaendigen Englischunterricht ins Leben rufen.

Wenn endlich alle Deutschen ausreichend Englisch spraechen, waere das nicht nur im Zuge einer globalisierten Welt persoenlich enorm nuetzlich, sondern Englisch waere auch seines Coolness-Faktors enthoben und der ganze Hype waere schlagartig vorbei. Man kann sich ja nur mittels einer Attituede profilieren, die anderen versagt bleibt. Dann koennen all die armen englischsprachigen Mitbuerger auch endlich Deutsch lernen, weil ueberhaupt Muttersprachler aufzutreiben waeren, die bereit waeren, mit ihnen Deutsch zu sprechen, statt darauf zu bestehen, mit ihren Englischkenntnissen abzuposen, oder verschaemt gar nicht mit ihnen zu reden, weil sie zu uncool sind, um Englisch zu koennen.

Zieht man aber blind gegen jedes englische Wort zu Felde, als waere Deutsch vom Aussterben bedroht, fuehrt man schnell die eigene Sache ad absurdum und erreicht das Gegenteil. Was glauben denn diese Berufsbedenkentraeger, wie das heutige Deutsch, das sie meinen retten und konservieren zu muessen, entstanden ist? Etwa nicht zu einem nicht unerheblichen Teil aus Einfluessen anderer europaeischer Sprachen? Da werden dann >Buero<, >Sosse< und >Garage< zu schuetzenswerten >deutschen< Ausdruecken erklaert, die es vor dem Gespenst Anglizismus zu retten gilt.

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