Proteste gegen das Atomforum in Berlin: Warum gehen so wenige Menschen auf die Straße?


Jon Hughes/Photopresse
Montag, 16. Mai: Am Schlesischen Tor in Berlin-Kreuzberg versammeln sich etwa 500 Menschen um gegen das Atomforum zu demonstrieren, das einen Tag später startet. Anton Scholz, 22 Jahre alt und Berliner Gazette-Reporter ist im Tross der Demonstranten. Nicht mehr als 500 Menschen. Angesichts des Anti-Atom-Aufschreis, der nach Fukushima durch Deutschland hallte, zu wenig, wie er findet. Eine kritische Bilanz.

Auch wenn es regnete am letzten Montag: 500 TeilnehmerInnen bei der Demo gegen das Atomforum – das kam mir sehr gering vor. Denn der Aufschrei gegen Atomenergie in Deutschland kurz nach Fukushima war enorm und das Atomforum müsste den Gegnern doch Grund genug sein, sich zu vereinen.

So bekam Gesine Lötzsch von der Linkspartei mit ihrer Propaganda mehr Presseaufmerksamkeit als die Demo an sich. Man kann es auch so sehen (nach der “Glas halb voll-Philosophie”): Immerhin gab es 500 Menschen, die sich nicht von der Kurzlebigkeit medialer Ereignisse haben abhalten lassen und in der Atomfrage nicht weiter den Lügen der Lobbys auf den Leim gehen.

Das Atomforum (dieses Jahr vom 16.-19. Mai im BCC) ist das größte Branchentreffen in ganz Europa und dort wird die Zukunft der Kernenergie verhandelt, um nicht zu sagen zementiert.

Ich frage mich: Wie soll eine „friedliche Nutzung“ möglich sein, wenn sie enorme Gefahren birgt und viele unbeantwortete Fragen aufwirft? Was die Atomgegner umtreibt, ist ja nicht nicht nur die Angst vor dem GAU. Auch die ungeklärte Frage der Endmülllagerung, die potenzielle Nutzung für Waffen und der an den Menschen vorbeiwirtschaftende Lobbyismus bereiten Unbehagen. Aber es geht ja ums Geld, das jetzt gemacht wird. Und darum geht’s auch den Merkels und Röslers.

Die politische Energie jetzt nutzen

Würde man jetzt eine deutschlandweite repräsentative Umfrage machen, wer für den Atomausstieg sei, bin ich mir sicher, dass eine große Mehrheit dafür wäre. Das beste Beispiel sind die Landtagswahlen in dem eigentlich konservativen Baden-Württemberg. Anscheinend brauchen wir immer irgendwelche Aufhänger, wie jetzt der GAU in Fukushima, bevor wir zur Besinnung kommen. Die politische Energie, die durch den Vorfall in Japan freigesetzt wurde, sollte schnell genutzt werden. Bevor sie, wie 1986 geschehen, dem Lobbyismus weicht und zur Duldungsstarre wird, oder durch andere Ereignisse in den Hintergrund rückt.

Sicher ist ein sofortiger Ausstieg, bei dem man Atomstrom importieren müsste, auch nicht gerade das Gelbe vom Ei. Allerdings muss ein Ausstieg in naher Zukunft festgelegt werden – im Interesse des Gemeinwohls. Das wäre selbst für die Wirtschaft nachhaltig, und zwar dadurch, dass aus dem Umdenken resultierende Technologievorsprung früher oder später ein Kassenschlager des Exports sein wird.

Der Vorsitzende des Forums, Walter Hohlefelder, sagt aufgrund der Ereignisse in Japan: „Auch Deutschland wird um eine Neubewertung der Kernenergie nicht herumkommen“. Das aber impliziert ein Weitermachen und wird Wissenschaft und Politik einlullen. Energiepolitik sollte idealerweise auch Friedenspolitik sein. Ich hoffe die Demonstranten fassen das Schweigen der Presse und das Auftauchen von so wenigen MitstreiterInnen nicht falsch auf. Das Thema ist nach wie vor enorm wichtig, gerade jetzt sollten wir auf die Straße gehen!

11 Kommentare zu “Proteste gegen das Atomforum in Berlin: Warum gehen so wenige Menschen auf die Straße?

  1. ich kann dir nur recht geben!

    Vielleicht müssen sich die Demonstranten noch besser organisieren??? Oder was kann man tun?

  2. so ist das halt: zynisch ist die welt, vielleicht aber einfach auch nur nicht gemacht für langfristiges engagement der massen.

  3. Als ich am Montag kurz am Alex war, sollte dort wohl auch demonstriert werden. Allerdings regnete es in Strömen und vor der Bühne, auf der Musik dudelte, standen nur 3 Leute. Wahrscheinlich spielt das Wetter auch eine große Rolle, um die Menschen aus den Häusern zu locken…

  4. ich denke, dass man nicht vom medialen hype nach fukishima auf die einstellung der deutschen in sachen atomenergie schließen kann. nur weil sich die medien gegenseitig dabei überbieten aus einer tragödie einen verkaufsschlager zu machen, heisst das lange noch nicht, dass die mehrheit der deutschen jetzt nicht mehr ruhig schlafen kann, weil sie atomenergie beziehen bzw. atomkraftwerke betrieben werden.
    vielleicht zeigt sich hier eher, dass es einfacher ist weltverbesserisch daher zu reden (umfrage), als sich wirklich für eine sache einzusetzen (demo) und auch die damit verbundenen unannehmlichkeiten zu ertragen. hauptsache man kann am stammtisch moralisch überlegen daherreden, wie die welt sein müsste, was man tun müsste, und das das system schuld ist. hauptsache nicht konkret werden, da wird es dann ja anstrengend.

  5. Ich kann #4, Hannes nur Recht geben. Es heißt ja nicht umsonst “es ist leichter gesagt als getan”…..

  6. super artikel, wenn auch etwas knapp, meiner meinung nach. aber zu diesem thema kann man theoretisch ja ganze romane schreiben…

    es ist traurig zu sehen, dass so nichtige dinge wie nieselregen, die menschen davon abhalten auf die straße zu gehen und ihr meinung kund zu tun.

  7. Wenn ich ehrlich bin, glaube ich nicht unbedingt, dass ohne Regen recht viel mehr Menschen teilgenommen hätten…Man findet doch immer irgendeine Ausrede.

  8. Nunja. Angesichts der Teilnehmer des Atomforums scheint es eher sinnlos dort zu demonstrieren. Lauter tausenprozentige, gut bezahlte Kernkraftbefürworter, die natürlich das Lied desjenigen pfeifen, dessen Brot sie fressen. Unentschlossene oder “Normalbrürger” wird man im Umfeld eines solchen Kongresses kaum antreffen. Also meiner Meinung nach vergeudete Energie, dort zu protestieren.

  9. Über jedem Deutschen hängen drei scharfe Schwerter, die seine gesamte Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen: Inflation, Altersarmut und Hartz IV.

  10. ein überraschend positives fazit dieser veranstaltung findet sich unter dem titel “Atomforum: Jahrestagung Kerntechnik erfindet sich neu” hier:

    ( http://lochmaier.wordpress.com/2011/05/17/atomforum-jahrestagung-kerntechnik-erfindet-sich-neu/ )

    “Die Lernkurve ist rasant, aber sie ist für die Beteiligten durchaus produktiv, sofern sie sich wirklich dem Dialog von Angesicht zu Angesicht im Auge des Orkans öffnen können. Aber natürlich gibt es auch kreative Rochaden, bei denen versucht wird, dem großen Ganzen einen neuen Anstrich zu verpassen.”

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