Arbeitsplatz unterwegs: Das multimediale Reportage-Format “deutschlandReise”

>Das kommt im Internet bei SPIEGEL online<, erklaerte der Fahrer ueber Lautsprecherdurchsage den Senioren in seinem Bus, waehrend Philip und Joerg Interviews mit den Reisenden filmten. Und der Buslenker war sogar noch so freundlich, praeziser zu werden: >Das ist das Programm, das nach ARD und ZDF im Fernsehen kommt.< Ein mobiler Werkstatt-Bericht von Marin Majica.

Dabei hatten wir, das Team von deutschlandReise, auch hier wieder unser Spruechlein aufgesagt: >Wir fahren vier Wochen, vom 1. bis 31. Oktober, durch Deutschland und machen eine interaktive Reisereportage im Internet. Wir stellen jeden Tag einen Text, einen Film und 100 Bilder als Slideshow ins Netz. Das Besondere< - hier betonend die Stimme heben - >also das Besondere ist, dass uns die User Vorschlaege machen koennen, wo wir als naechstes hinfahren sollen.< Doch die Senioren, die wir fuer unseren Beitrag an Tag 10 auf der A7 von Hamburg nach Frankfurt interviewten, waren ganz beseelt von der >gruenen Insel Foehr< - wen kuemmern da schon Details ueber ein neuartiges, weil medienkonvergierendes Reportage-Format. Die Ausgangsfrage von deutschlandReise lautete: Wie laesst sich die Reisereportage im Internet neu, sprich in drei parallelen Medien denken? Die theoretische Antwort: Ein Kameramann und Cutter, ein Fotograf, ein Printjournalist und der Producer und Webdesigner gehen gemeinsam in zwei Bussen auf Reisen. Dabei stuetzen sie sich auf ein Wissen, das ueber das gesamte Reportagegebiet bereits verteilt ist: Gemeint sind die Menschen, die darin leben. Diese potentiellen User treffen sich mit den mobilen Reportern auf einem Wissensplateau: einem Internet-Forum. Praktisch sah die Redaktionskonferenz dann etwa so aus: Producer Joerg, der das Projekt entwickelt und Sponsoren wie VW, Blaupunkt und SPIEGEL online fuer die Idee begeistert hat, kochte in unserem T4-Campingbus fuer alle Spaghetti. Waehrenddessen redeten wir, das heisst Philip [Kamera], Martin [Foto], Joerg und ich [Text] ueber die Reportage-Vorschlaege, die wir als E-Mails am Vortag runtergeladen hatten. Denn wir kamen ja nur jeden Abend irgendwo ueber einen geliehenen DSL-Anschlussans Netz - jeweils dann, wenn wir unsere Beitraege hochluden. Arbeitsplatz unterwegs: Mit dem Laptop auf den Knien und postiert auf dem Beifahrersitz zum Beispiel die Reportage ueber das Ruhrgebiet schreiben. Mit 150 ueber die naechtliche Autobahn Richtung Koeln, weil dort ein Uploadplatz wartet. Illegaler Wallfahrtsort in Heroldsbach, Forschungszentrum in Karlsruhe, Interview mit Thomas D auf seinem Hof in der Eiffel - welche Route schreiben wir durch Deutschland? Welche Idee liefert gleich starke Texte und Bilder? Und wie koennen wir die Narrationen verschraenken, so dass die Summe der einzelnen Teile ein komplettes Bild ergibt? Wie verbinde ich Philips Film und meinen Text im Vorspann? Der Leser war schliesslich naeher als sonst, weil ich ihn ja aus den Beitraegen im Forum kannte. Ich erzaehlte die Geschichte, aber auch unsere Geschichte des Tages, schrieb den Soundtrack mit, der aus Radio und CD-Player kam. Zumindest bin ich davon ausgegangen, dass den User, wie immer der jetzt wirklich aussah, das auch interessiert. Die E-Mails liessen darauf schliessen. Oder ich sass selbst am Steuer, waehrend Philip im Fond am G4 den Film schnitt. >Herzlich willkommen bei deutschlandReise an Tag 24, wir sind heute auf der Zugspitze … Aaah<, hoerte ich Joergs Stimme von hinten aus den Rechnerlautsprechern, >…von der Joerg gerade fast runtergefallen waere<, textete meine Stimme weiter >…dabei wollen wir doch noch viel hoeher rauf, naemlich zur Forschungsstation …< - unsere Anmoderation fuer den Bericht ueber die Klimaforschung an Deutschlands hoechstem Gipfel. Sympathischer Dilettantismus, zumindest vor der Kamera, hat auch was mit Demokratisierung der Medien zu tun - zu sehen im Internet, ihr wisst schon, das Programm nach ARD und ZDF.

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