Knips das Licht selbst an! andcompany&Co. eröffnen das Labor für Do-It-Yourself-Bildung

Foto von Sarah Curth (by-nc-sa)
Mit einem Lecture Concert eröffnete das Berliner Theakterkollektiv andcompany&Co. am vergangenen Dienstag das zweitägige „Labor für DIY-Bildung” im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien. Sabrina Apitz war dabei.

Was hat die „Kriegserklärung“, so der Titel des Lecture Concerts, mit dem Thema des Labors für selbstbestimmte Bildung zu tun? Fragt Krystian Woznicki am Beginn des Abends. 60 Menschen haben sich im Kunstraum Kreuzberg/Bethanien versammelt, um dabei zu sein, wenn das Buch Modell Autodidakt (herausgegeben von Magdalena Taube und Krystian Woznicki) vorgestellt und das Labor eröffnet werden.

Die Performance könnte als eine Kriegserklärung an das Bildungssystem verstanden werden, so Woznicki. Doch das wäre vielleicht zu einfach. Gehe es doch eigentlich auf einer abstrakteren Ebene darum, sich gegen das System aufzulehnen – hin zur Mündigkeit, hin zum Autodidaktischen. Zumindest dann, wenn die autoritäre Geste der Kriegserklärung dekonstruiert werde – mittels Sampling und Zitaten.

Gongs, singende Telefonhörer und vorproduzierte Remixes

“How to do things with words?”, fragte 1955 John L. Austin und trat damit eine Flut der Permativitäts-Theorien los. “How to make Ernst with words?”, fragen andcompany&Co. Wo beginnt das Handeln? Ist eine Äußerung immer zugleich eine Handlung? Wir befinden uns in einer Vorlesung zur Sprechakttheorie: Hier soll die Wirkmächtigkeit der Sprache und ihre Fähigkeit, Realitäten zu schaffen, auf ganz besondere Weise überprüft werden.

Die Performer Alexander Karschnia, Nicola Nord und Sascha Sulimma sitzen an ihren Plätzen wie Musiker hinter ihren Instrumenten, ausgestattet mit Textblättern und Mikrophonen, Mischpult und Telefon. Hinter ihnen warten auf einem Schwarz-Weiß-Foto die Berliner im Lustgarten auf die Kriegserklärung. Vor Ihnen sitzt das Publikum – elektrisiert von rhytmisch aufeinander folgenden Verweisen, Phrasen und Zitaten von John L. Austin bis Rio Reiser, sowie einem Soundteppich aus Gongs, singenden Telefonhörern und vorproduzierten Remixes.

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Die drei Künstler wandeln auf den Pfaden des Philosophen Roland Barthes und erforschen dabei wie die Herstellung von Wahrheit und Sinn in der Sprache funktionieren. Sie enden mit irritierenden aber durchaus klaren Aus- und Ansagen: “I declare nothing to declare”. “I would prefer not to…”. „Krieg ist Kontakt. Krieg ist Kommunikation. Krieg ist Freizeit.“

Die Gleichsetzung von Sprechen und Handeln wird im Lecture Concert “Kriegserklärung” zugespitzt. Das Netz aus Fragmenten von Bertolt Brecht, Heiner Müller, John L. Austin, Roland Barthes &Co, aus Beats, Sprachrhythmus und Buchstäblichkeit, öffnet den Raum für Assoziationen und entlässt den Zuschauer gleichzeitig vorerst sprachlos.

„Laboratorium sozialer Phantasien“

Doch wie kann aus Zitaten Ernst werden? Was ist aus der Selbstermächtigung des Subjekts im Sprechhandeln geworden? Ein Aufruf zum Handeln?

In Zeiten einer spürbaren Krise des Handelns, in der das souveräne Subjekt in Frage gestellt wird, bleibt mit Blick auf die 1914 im Berliner Lustgarten Wartenden, der Satz in Erinnerung: „Man muss nicht die Kriegserklärung abwarten, um zu sehen, dass Krieg herrscht.“

Ein motivierender Einstieg für die TeilnehmerInnen des „Labors für selbstbestimmte Bildung“. Denn dort werden Menschen aus verschiedenen Disziplinen zwei Tage arbeiten, sich bewegen, denken und experimentieren, mit Körper und Geist, unter transparenten Regeln – an einem Ort für neue Ideen und Erkenntnisse des selbstbestimmten Lernens, einem „Laboratorium sozialer Phantasien“ (Heiner Müller).

Bilder des Abends (von Sarah Curth):


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