Letzte Sommersplitter

Während vor den Berliner Fenstern herbstlicher Dauerregen niedergeht, kann man noch einen letzten Ausflug in den Sommer wagen. Zum Beispiel nach Griechenland.

Es ist heute sehr windig auf Amorgos. In der kleinen Hauptstadt Chora schmiegen sich die weißen Wohnhäuser und Kirchen dicht aneinander, um nicht vom Wind weggeweht zu werden.

Heute sind wir noch hier

Es ist so windig, dass ich meine Augen nicht länger als zwei Sekunden offen halten kann. Heute trägt der Wind die Melodie von den Halsglocken der braunen Bergziegen bis nach Chora. Ein alter Mann schenkt mir ein kleines Sträußchen aus Minzeblüten. Heute sind wir noch hier, morgen aber vielleicht nicht mehr.

Immer wieder zeigt die Insel ihre große Macht über den Menschen. Im September gibt es kaum noch Touristen, und die, die da sind, scheinen entweder in dem kleinen Hafendorf Egiali oder in einer von den zwei sandigen Buchten zu bleiben. In den Bergen trifft man nur selten Menschen, in Chora bleiben die meisten Tavernen leer, viele haben schon zu.

Zwischen salzigem Meer und süßem Himmel

Von Nord nach Süd zieht sich auf  der Insel ein riesiges Gebirgsmassiv. Wir fahren mit unserem kleinen Moped Liberty eine gute halbe Stunde hoch, auf einer asphaltierten, aus EU-Geldern gebauten Straße. Rechts und links Felsen, ca. 700 m unter uns, hinter einem leichten Nebel, das Meer.

Kurz vor sieben sind wir am Chozoviotissa Kloster angekommen. Wir lassen Liberty unten stehen und laufen die letzten Meter. Das weiße Gebäude sieht aus, als wäre es direkt aus den Felsen gewachsen, als ob Menschen gar nicht daran beteiligt wären.

Zwei Mönche leben hier, zwischen dem salzigen Meer und dem süßen Himmel, wenn man weit genug guckt, weiß man nicht mehr, ob man das Wasser oder die blaue Luft sieht.

Im Kloster bekommen wir Raki, der beim Schlucken angenehm brennt, und dann müssen wir schon wieder gehen. Draußen warten abgemagerte Katzen auf Abendessen. Schluss mit Besuchern für heute. Morgen ist wieder ein Tag, auch, wenn man daran im Moment nicht unbedingt glauben mag.

(Anm. d. Red.: Alle Fotos sind von Karolina Golimowska.)

5 Kommentare zu “Letzte Sommersplitter

  1. Oh Mann, da wäre ich jetzt auch gerne. Danke an Karolina für den schönen Text, die Worte und die Bilder haben mit den grauen Herbsttag versüßt!

  2. Es war Urlaub. Arbeiten koennte ich mir aber auch gut vorstellen – wenn man das irgendwie organisiert kriegen wuerde. Oder dort ein Haus haette. Mit Terasse. Und mit WLAN….

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