Zwischen den Fluten

Ich erinnere mich an die Aquarien meiner Kindheit: Einerseits an die langweiligen und etwas trostlosen Aquarien in den Innenhoefen der Restaurants. Bloede Forellen in dumpfen Containern mit Sauerstoffstrom. Ich fuerchtete mich immer ein wenig vor diesen gefuellten Glaskisten aber vor allem machten sie mich traurig. Andererseits hatte ich meine eigenen Aquarien, eigentlich Terrarien, die ich selbst mit Pflanzen und Steinen ausstattete. Darin setzte ich Kammmolche aus und beobachtete gespannt die Entwicklung vom Ei zum voll gewachsenen Molch. Dann setzte ich die Tiere wieder im Weiher im Wald aus, wo ich sie gefangen hatte.

So hatte der Glaskasten eine magische Beziehung zur eigentlichen Natur und war ein temporaerer Ersatzraum. Ich stellte mir vor, dass ein Stueck Natur, nun von Glas eingerahmt, suspendiert und losgeloest weiterlebte. Das war natuerlich eine Taeuschung. In vielen Wohnungen bleibt das Aquarium nur Raumverzierung. Schoen ist es aber, wenn es Anregung zum Erleben oder Denken gibt. Als ich das erste Mal ein Videoaquarium sah, fand ich das Video toll, weil es dasselbe Dumme wie viele richtige Aquarien hatte.

Heute halte ich mich in der >richtigen< Natur auf. Die Fotografien in meinem Buch >Waters in Between< dokumentieren als Anregungspunkt einen bestimmten Ort; ein Tal im Norden Kaliforniens. Ein ausgiebiges Sumpfgebiet, das zum groessten Teil trockengelegt wurde und nun riesige Agrarkulturen beherbergt. Diese Region steht stellvertretend fuer viele Feuchtgebiete, die dasselbe Schicksal erlebten. Mein Buch dokumentiert keinen Paradigmenwechsel in Bezug auf Wasserverbrauch. Obwohl dieser Umbruch im Gang ist, ist er noch nicht in der Landschaft erkennbar. Ich glaube auch nicht, dass in dieser Hinsicht ein tatsaechlicher Wandel im Denken der US-amerikanischen Gesellschaft Fuss gefasst hat. Problematisch finde ich, wie Natur heutzutage in den Medien dargestellt wird. Es geht immer um Abenteuer und dramatische Ereignisse. Natur als Unterhaltung. Natur als Spektakel. Wenn man sich in der Natur befindet, merkt man, dass es dort gar nicht so ist. Es ist eher still und alles geht langsam vorher. Wir muessen wieder eine Beziehung zu diesem Langsamen, Unspektakulaeren finden. So hoffe ich, dass sich aus dem praezisen >Hier-sind-wir-und-dies-sehe-ich< in meinen Bildern, eine metaphorische Moeglichkeit ergeben wird, aus der sich ein Erlebnis oder Nachdenken ableitet. Meine Absicht als Kuenstler und Buechermacher ist es, die Leute aufzuwecken und zu sensibilisieren, so dass sie sich ihrer Einstellung zur Natur bewusst werden. Man muss etwas fuehlen und ein Erlebnis haben, um sich einer Sache anzunehmen oder um darueber nachzudenken. Aber >Waters in Between< predigt nichts, sondern sucht nach den Schnittpunkten von Kultur und Natur. Ich schlage auch nichts vor, sondern beobachte nur. Mein Projekt begann, als ich durch diese Gegend im kalifornischen Norden fuhr. Wie die meisten Leute kannte ich sie nur von den Freeways aus, die sie durchziehen. Auf dieser Reise blickte ich in einem bestimmten Augenblick nach rechts und sah in der Ferne einen riesigen Vogelschwarm, groesser als alle, die ich je gesehen hatte. Ich machte ein Kreuz auf der Karte, die neben mir lag und auf dem Heimweg verliess ich die Hauptstrasse und begann, die kleinen Feldstrassen abzukaemmen. Spaeter fand ich heraus, dass dieses Tal unter dem Pacific Flyway liegt, sozusagen dem Freeway der Voegel, die in den Sueden ziehen. Ich begann, diese Migration zu fotografieren aber vielfach fand ich keine Voegel, sondern >nur< Stille. Weite, flache Felder und eine wunderschoene Landschaft, die gleichzeitig nahe zur Grosstadt war aber auch ungeheuer weit weg schien. Obwohl es eine unbekannte Gegend fuer mich war, fuehlte ich mich zuhause. Das war der Anfang meiner Arbeit. Da das Tal von wasserreichen Bergen umgeben ist, wird im noerdlichen Teil vor allem Reis angepflanzt. So wird nun viel Wasser gebraucht, um die Felder zu ueberfluten. Einmal fotografierte ich langsam vorbeischwimmende Blasen in einem Bewaesserungskanal. Das fast schwarze Wasser mit weissem Schaum [Verschmutzung?] liess Gedanken ans Weltall aufkommen. Die Blasen trieben mit der Stroemung und platzten bald. Ich dachte ueber unsere Vergaenglichkeit nach. Spaeter, als ich das Bild riesig vergroesserte, fand ich eine Spiegelung von mir und der Kamera in jeder Blase. Interessant ist, dass das Sacramento Valley, der Protagonist meines Buches, ueber Jahrhunderte hinweg durch Ueberschwemmungen geschaffen wurde. Die hingeschwemmte Erde und Mineralien der Berge hat ein sehr fruchtbares Gebiet geschaffen. Nun erntet der Mensch im Schwemmgebiet und baut Haeuser darauf. Und ploetzlich werden die wiederkehrenden Ueberschwemmungen als Umweltkatastrophen gesehen. Sobald man fuer das Thema Wasser sensibilisiert ist, erkennt man, dass das eine gute Erfahrung und zugleich eine erschreckende ist: Wasser ist ueberall und immer um uns herum. Auch wenn es nicht in seiner gewoehnlichen Form [fluessig] sichtbar ist, ist es entweder praesent oder hat fast alles um uns irgendwie beeinflusst oder geformt. Die Zukunft des Wassers in Bezug auf unsere Kultur und Gesellschaft ist ganz klar. Unsere Gesellschaft hat keine Zukunft ohne Wasser. Und die Zukunft von sauberem Wasser auf unserem Planeten ist nicht gesichert.

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