Journalismus 2.0: Verwirrend, herausfordernd, heiß

In meinem geradezu obligatorischen RSS-Reader waren neulich gleich mehrere Artikel über den aktuellen Zustand des Online-Journalismus. Das Interessante daran: Jeder hat sich mit einem anderen Aspekt des Themas beschäftigt.

Der frühere Medienredakteur für die Times, Dan Sabbagh, gab in dem Medienblog Beehive City bekannt, dass nur 15.000 Nutzer bereit sind, für Artikel der Zeitung zu zahlen. Eine eher geringe Zahl. Andererseits haben 12.500 die separate Times-App für ihr iPhone gekauft.

Deswegen stellt Sabbagh eine interessante Frage: Wird die Zukunft der Zeitungsbranche so aussehen wie die Gegenwart der Musikindustrie? Das würde bedeuten, dass es zum einen digitale, von Apple dominierte Bezahlsysteme gibt und gleichzeitg das kostenloses free-for-all-Internet, in dem niemand zahlt.

Eigene Regeln für den Online-Markt

Wenn man sich den Erfolg der Daily Mail ansieht, ergibt sich ein anderes Bild. Im letzten Jahr gab es noch ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem Guardian und dem Telegrahph, dieses Jahr führt die Daily Mail mit einem Vorsprung. Mit 16 Millionen Internet-Lesern im United Kingdom und 26.3 Millionen im Rest der Welt, spielt die Mail bald in einer ganz anderen Liga, so Peter Preston im Guardian. Grob kalkuliert könnten so 20 Millionen Pfund in Werbeeinahmen entstehen, und so die Mail aus den roten in die tiefschwarzen Zahlen bringen.

Und die Mail hat nicht nur getrennt geleitete Redaktionen, sondern lässt sich auch nicht zum kleinen Bruder des Print-Wesens machen. Peter Preston weiter: „Der Online-Markt fängt an, genauso wie der Print-Sektor, eigene Regeln aufzustellen: Wie schon bei den Holzmedien spielen auch hier Qualitätszeitungen, Klatschblätter und Yellowpress auf unterschiedlichen Instrumenten verschiedene Melodien – und können damit auch unterschiedliche Werbekunden anlocken“

Ist Online-Journalismus die neue Fließband-Arbeit?

Währenddessen wirft die New York Times einen Blick auf die Arbeitsbedingungen von Online-Journalisten und fragt: Ist Online-Journalismus die neue Fließband-Arbeit? Diese Journalisten sind nicht mehr auf der Jagd nach Scoops, sondern Klickzahlen. Seiten wie Bloomberg News und Gawker Media bezahlen abhängig davon, wie viele Leser die Texte haben und wie viele Texte ein Journalist pro Tag produziert.

Online-Journalismus findet seinen Weg, indem er ihn geht. Jede Marke muss sich in der digitalen Umgebung neu erfinden. Das ist verwirrend, und herausfordernd und aufregend. Und eins ist klar: Es ist die Zukunft.

Inzwischen wissen wir, dass Online produzieren nur der erste Schritt sein kann, weil sich die Verleger auch auf den Long Tail konzentrieren müssen. Es müssen schnell neue Formen gefunden werden, wenn wir unsere traditionelle Deutungshoheit über den Stand der Geschichte nicht an Demand Media und Konsorten verlieren wollen. Und der Erfolg des iPads hat gezeigt, dass wir in Zukunft den Begriff der Zielgruppe erweitern müssen. Es kommen ganz neue Faktoren hinzu, wie zum Beispiel die verschiedenen Situationen, in denen gelesen wird.

In der Tat alles verwirrend, herausfordernd und aufregend. Nun. Wir sind ja schließlich keine Journalisten geworden, um uns entspannt zurückzulehnen.

8 Kommentare zu “Journalismus 2.0: Verwirrend, herausfordernd, heiß

  1. Oh, ein weiterer großer Name unter der Autorenschaft für die Berliner Gazette!

  2. sehr interessant, aber war habe ich mir denn unter “long tail” vorzustellen??

  3. The Long Tail (englisch für „Der lange Schwanz“) ist eine auf den Arbeiten von Gladwell[1][2] aufbauende Theorie, die der US-amerikanische Journalist und Chefredakteur des Wired Magazine Chris Anderson 2004 vorstellte,[3][4] nach der ein Anbieter im Internet durch eine große Anzahl an Nischenprodukten Gewinn machen kann. Dieser Effekt trifft insbesondere für den Musik- und Bücherverkauf zu, wo selten verkaufte Titel in einem konventionellen Verkaufsgeschäft zu hohe Kosten verursachen würden. Der Name leitet sich von der Ähnlichkeit der Verkaufsgrafik mit einem langen Schwanz ab. Chris Anderson zeigte diesen Effekt anhand der Verkaufsstatistik des amerikanischen Online-Musikdiensts Rhapsody, bei der eine große Anzahl wenig gefragter Produkte mehr Umsatz erzielte als wenige Bestseller.

    http://de.wikipedia.org/wiki/The_Long_Tail

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