XXL-Badewanne

Das Seepferdchen, als orangefarbenes Abzeichen auf den Badeanzug genaeht, war als Kind mein ganzer Stolz. Auch konnte ich mir nichts Schoeneres vorstellen als einen Swimming-Pool: Allein das Wort war pure Verheissung – erst mit einigem Abstand gefolgt von Hollywood-Schaukel und Skateboard. Auf das >Seepferdchen< folgten der >Freischwimmer<, endlose Schulferien im staedtischen Freibad und ein Beinahe-Ertrinken. Dann bewegten sich die Interessen in andere Richtungen. Erst vor ein paar Jahren begann ich wieder, regelmaessig Schwimmen zu gehen. Es soll ja auch gut sein fuer den Ruecken.

Mein Sternzeichen ist Fische. Vielleicht habe ich deshalb zu wasserdichter Kleidung ein ambivalentes Verhaeltnis. Einen Schirm habe ich eigentlich nie dabei, >ist ja nur Wasser<. Mit Nieselregen kann ich gut leben. Regnet es dagegen heftig, ziehe ich es vor, drinnen zu bleiben, statt doch einen Schirm nehmen zu muessen - und keinesfalls wuerde ich in Plastikmontur etwa Fahrrad fahren. Angesichts des sich veraendernden Klimas werde ich aber wahrscheinlich flexibler werden muessen. Zu einer Wohnung gehoert fuer mich selbstverstaendlich eine Badewanne. Aesthetisch besteht fuer mich der groesstmoegliche Unterschied zwischen einem gekachelten Schwimmbecken und einem Baggersee: Ich liebe Schwimmen, aber es graut mir vor dunklem Wasser, schlammigem Grund, Wasserpflanzen oder gar Tieren an meinen Beinen, die ich nicht sehen kann. Meer ist toll, so lange ich auf den Grund schauen kann. Mein Lieblingsmeer ist das Tote Meer: klares Wasser und kristalliner Boden, keine Tiere, keine Pflanzen. Unter meinem Balkon ist ein Springbrunnen. Oft stelle ich mir vor, ich lebte an einem Bergbach. Nur mit Meeresrauschen einzuschlafen ist schoener. Fuer viele Menschen ist es Realtitaet, fuer noch mehr ein Traum, am Meer zu leben. Bei mir gehoert das nicht zu den primaeren Lebenszielen. Trotzdem ist am Strand zu sitzen und den Wellen zuzuschauen und zu lauschen die beruhigendste Erfahrung, die ich kenne. Doch auch das Beunruhigendste ist mit Wasser verbunden: die Angst zu ertrinken und der dunkle Ozean in Lems >Solaris<. Aquarien deprimieren mich. Neulich war ich im Ozeanario in Lissabon - ab und an versuche ich es wieder mit dem Aquarienbesuch; es koennte ja eines geben, das mich eines Besseren belehrt. Aber auch dieses: viel zu klein, Fische, die stoisch im Kreis schwimmen, Menschen, die sich wie ich an die Scheiben druecken und vergeblich versuchen, mit desinteressierten Tieren Kontakt aufzunehmen. Zu Zimmeraquarien habe ich keinen Bezug; bei Verwandten oder Bekannten finde ich sie hoechst befremdlich. Meine Arbeit koennte mich dazu verfuehren, Aquarien wie Strandkoerbe als >typisch deutsches< Phaenomen zu betrachten. Die meisten Aquarien gibt es jedoch, ungeprueften Internet-Quellen zufolge, in den USA. Inspiriert vom Pixar-Film >Findet Nemo<, koennte ich an dieser Stelle auch zu einem Rundumschlag gegen den Handel mit Wildfischen ausholen. Die einzige Zierfischgattung, die international geschuetzt ist, ist uebrigens das Seepferdchen.

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