Wundersame Welt

Ein Tag im Februar in Berlin. Kino am Potsdamer Platz. Erste Vorfuehrung des neuen Dokumentarfilms von Hans-Christian Schmidt, >Die wundersame Welt der Waschkraft<. Der Saal ist ueberfuellt. Es ist so voll, dass man nur schwer atmen kann.

Zusammen mit dem Regisseur und dem Leiter des Berlinale-Forums sitze ich auf der Treppe. Mein Ruecken tut weh. Wir verbringen 1,5 Stunden mit drei Frauen, die auf der grossen Leinwand Bettwaesche, Handtuecher und Tischdecken der groessten Berliner Hotels schichtenweise waschen, buegeln und falten. Und das alles in einem kleinen polnischen Dorf, nicht weit vor der deutschen Grenze, in einer Waescherei, die zu einem deutschen Unternehmen gehoert.

Sie arbeiten fuer ca. 300-400 Euro im Monat, oft nachts, manchmal auch sonntags. Wir lernen ihre Familien kennen, wir wissen wo sie wohnen, wie ihre Kinder heissen und was sie gerne essen. Wir sehen sie weinend und laechelnd, blass und muede, oft mit einer Zigarette in der Hand. In dem Film ist Polen grau und scheint perspektivlos zu sein. Marta – die 20-jaehrige Tochter einer der Protagonistinnen versucht erfolglos, sich als Kosmetikerin selbststaendig zu machen. Frueher hat sie auch in der Waescherei gearbeitet, hat den Job aber leider verloren. Dem Film folgt ein Podiumsgespraech. Und nun stehen auf der Buehne Monika, Beata und Marta – man hat das Gefuehl man kennt sie sehr gut.

Eine junge Frau aus dem Publikum fragt: >Wovon traeumen Sie? Was wuerden Sie sich wuenschen?< Ich uebersetze, Beata antwortet: >Ich wuensche mir nichts, ich bin gluecklich. Meine Kinder sind gesund, ich habe einen festen Job.< Ich wiederhole die Antwort auf Deutsch und dann auf Englisch. Waere es moeglich gewesen, waere ich allerdings in dem Moment sprachlos geblieben. Wann habe ich das letzte Mal gesagt, dass ich gluecklich bin? Wann habe ich mich ueberhaupt gefragt? Ich gehe raus, ich bin muede, kann die Sprachen nicht mehr voneinander unterscheiden, es regnet. Aber eigentlich ist doch alles gut. Everything is fine. Jest dobrze.

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