17 Wohnungen

Ich habe in den letzten drei Wochen 17 Wohnungen gesehen. 17 Küchen mit oder ohne Spüle und Herd, 17 Toiletten, acht Badewannen, neun Duschen, drei Balkons und sogar einen Keller. Ich habe mir 17 mal überlegt, ob ich in dieser Wohnung wohnen könnte, ob ich in dieser Küche gerne kochen würde, ob ich in diesem Schlafzimmer gut schlafen könnte, ob der Blick erträglich wäre und wo mein Schreibtisch stehen könnte. Ich habe fast immer Fotos gemacht, um mich an die Wohnungen erinnern zu können, wie ein verwirrter Tourist, der das erste Mal durch Europa reist und nach zwei Wochen Programm nicht mehr weiß, in welcher Stadt er den Arc de Triomphe gesehen hat.

Ich sortiere die Fotos von den einzelnen Zimmern, Decken mit oder ohne Stuck, Badezimmer mit Badewannen oder ohne, in separate Ordner auf meiner Festplatte. Dann schickt mir der stets gut informierte A. neue Anzeigen mit fröhlichen Kommentaren wie: Toll, aber teuer. Oder: Sieht super aus, aber am Arsch der Welt.

Déjà-vu auf Bestellung

Oft stehe ich bei einer Besichtigung mit 20 anderen Leuten auf den 30 oder 40 Quadratmetern. Immer wieder sehe ich dieselben Leute: eine kleine Frau mit riesiger Brille, ein junges Pärchen, das sich in jeder Wohnung streitet, ein Typ mit Dreadlocks und einer im Anzug.

Nachts verfolgen mich Träume von Wohnungen ohne Fenster und von riesigen Schlüsselbunden mit Schlüsseln, die in kein Schloss passen. Nachdem ich eine Dachgeschosswohnung am Kanal, fünf Etagen ohne Fahrstuhl, gesehen habe, träume ich, dass ich mein Bein gebrochen habe und nicht in der Lage bin, in meinen Turm zu klettern („Sie sind noch so jung, sie können ja laufen“, versichert mir der Makler).

Muss ich überhaupt irgendwo wohnen? Kann ich nicht einfach mit einem Rucksack durch die Welt reisen?

Ich suche weiter, mache weitere Fotos, fülle weitere Formulare aus und lerne neue Stadtteile kennen. Meine Auszugsdeadline rückt immer näher. A. träumt jetzt auch von Wohnungen und in Berlin schneit es wieder.

4 Kommentare zu “17 Wohnungen

  1. Ich überlegte letztens, ob man nicht einfach eine Bahncard-Fünftausend oder wie die heißt, kaufen sollte, erster Klasse natürlich, für den Laptopanschluss mit Wlan, und dann kostenlos ein Jahr lang jeden Marktplatz in jeder Stadt, alle Stadtmauern, alle Bahnhofstoilletten und -imbisse, alle Rathäuser besichtigen sollte. Arbeiten könnte man im mobilen Home Office und am Ende wäre es wohl nicht viel teurer, als eine Wohnung. Überleg Dir das… nächster halt: dienslaken, helmstedt, dillingen, sömmerda, bad godesberg, sylt, berlin hauptbahnhof

  2. @ Krystian: interessant, dass meine Wohnungssuche zu einem “Projekt” wird – es ist aber tatsaechlich so. X-Wohnungen hoert sich sehr spannend an – und ich suche auch in dieser Gegend (sued Berlin)!
    Magdalena, Couch-Surfing – hmmm, weiss ich nicht, was berichtet denn dein Bekannter? Es stimmt schon, dass es sehr schoen sein kann eine laengere Zeit unterwegs zu sein, aber so richtig auf Dauer ist das eher eine Utopie, oder es wird zu einer Sucht, wie das z.B. Jerry Hopkins in “Thailand Confidential” (http://www.jerryhopkins.com/index.html) beschreibt,im Netz auch als Google-Book.

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