Woerterbuch ins Paradies

Barranquilla, die Stadt in der ich lebe, ist die viertgroesste Stadt Kolumbiens und hat ungefaehr zwei Millionen Einwohner. Sie ist sechzehn Stunden mit dem Bus und eine Stunde mit dem Flugzeug von der Hauptstadt Bogota entfernt, liegt an der Kueste und ist sehr bekannt fuer ihren Karneval. Hier arbeite ich hauptberuflich als Deutschlehrerin. Meine Leidenschaft ist allerdings der Tanz. Ich tanze seit acht Jahren, zuerst Folklore, mittlerweile nur noch Ballett.

Lange Zeit habe ich im Instituto Experimental unterrichtet, einer Schule fuer fleissige Schueler und Schuelerinnen, die aus niedrigen sozialen Schichten kommen. Im Moment erteile ich nur Nachhilfen. Das mache ich privat, taeglich zwei oder drei Stunden. Meistens unterrichte ich jene Kinder, die die hiesige >Deutsche Schule< besuchen. Sie wurde von deutschen Einwanderern gegruendet und ist schon ueber 90 Jahre alt. Mehr als tausend Schueler und Schuelerinnen lernen dort. Die meisten Lehrer kommen aus Kolumbien, nur einige sind Deutsche. Man kann dort fast alle Faecher auf Deutsch belegen. Deutsch zu lernen bedeutet den Menschen hier sehr viel. Zum Beispiel gibt es einem die Moeglichkeit zu reisen, andere Kulturen kennen zu lernen und natuerlich auch zu studieren. In erster Linie bedeutet es aber harte Arbeit, vor allem fuer die undisziplinierten Kinder oder fuer solche, die Probleme haben, sich zu konzentrieren. Fuer sie ist das Sprachstudium alles andere als einfach. Mit solchen Kindern habe ich ueberwiegend zu tun. Es sind schwer erziehbare Kinder und solche aus Problemfamilien. Davon gibt es nicht wenige in meiner Region. Natuerlich macht es ihnen auch die Sprache selbst nicht einfach! Abgesehen davon, dass es sich um eine Fremdsprache handelt, ist das Deutsche eine verhaeltnismaessig komplexe Sprache. Als ich zwischen 1996 und 2002 die Universidad del Atlantico von Barranquilla besuchte, bekam ich die Gelegenheit, eine Fremdsprache zu lernen. Ich habe mir Deutsch ausgesucht. Mir gefiel diese Sprache einfach am besten. Daraufhin habe ich insgesamt fuenf Semester Deutsch studiert und dann ungefaehr drei Jahre an der >Deutschen Schule< weitergebueffelt. Dort war der Unterricht kostenlos - damals und heute fuer viele ein wichtiger Faktor, diese Einrichtung zu besuchen. Die Erfahrung war fuer mich jedenfalls total super. Die Atmosphaere war toll. Und ich verschaffte mir auf diesem Wege Zutritt zur deutschen Kultur. Es war das Ticket nach Deutschland. Danach war ich ein Jahr als Au-Pair in Deutschland, an der Donau. Das war eine schoene Zeit, ich habe viel von den Deutschen und der deutschen Kultur gelernt. Ich konnte mich nicht zuletzt vergewissern, dass die Deutschen tatsaechlich so puenktlich sind, wie man es ihnen nachsagt. Das hat mich beeindruckt und sicherlich auch beeinflusst. Es klingt vielleicht komisch, aber ich bin heute wesentlich disziplinierter und organisierter als vor meinem Deutschlandaufenthalt. Vielleicht sind das die Gruende dafuer, dass Deutsch auch heute noch meine absolute Lieblingssprache ist, natuerlich nach meiner Muttersprache Spanisch. In Kolumbien hat Deutsch gegenwaertig einen wichtigen Stellenwert, viele Universitaetsstudenten - und nicht nur diejenigen, die wie ich an der >Deutschen Schule< studiert haben - moechten ihre Deutschstudien vertiefen. Nicht zuletzt, weil Deutschland in Entwicklungslaendern wie Kolumbien Stipendien ueber den DAAD anbietet. Bekanntlich ist das akademische Niveau in Deutschland sehr hoch. All das fuehrt dazu, dass viele Menschen in Kolumbien die deutsche Sprache erlernen moechten. Man koennte sogar sagen, dass es einen Boom der deutschen Sprache in Kolumbien gibt. Die Institutionen werden staendig mit neuen Informationen beziehungsweise mit neuen Materialien zur deutschen Sprache versorgt. Vor allem das Instituto Experimental versucht, staendig neue Buecher und Lernmaterialien zu verschaffen. Es ist wichtig, auf dem Laufenden zu sein. Zum Beispiel bei den staendigen Veraenderungen innerhalb der deutschen Rechtschreibung. Das ist allerdings nicht so einfach. So kommt das Institut gegenwaertig nicht umhin, mit veralteten Lehrmaterialien zu arbeiten. Das verhindert natuerlich, dass wir auf hohem Niveau unterrichten und die deutsche Sprache auf dem neusten Stand weitergeben. In Bogota existieren einige deutsche Institute. Darueber hinaus gibt es in einigen Staedten die beruehmten SENAs. SENA steht fuer Servicio Nacional de Aprendizaje. Es handelt sich dabei um technische Einrichtungen fuer Leute, die aus niedrigen sozialen Schichten kommen. Eines von ihnen ist das Kolumbianisch-Deutsche Institut, das in engster Verbindung mit den Entwicklungen in Deutschland steht. Es gibt auch viele Fabriken, in denen deutsche Chemikalien hergestellt und dann von Kolumbien nach Deutschland verfrachtet werden. Diese Fabriken erinnern daran, dass Deutschland schon immer in engem Kontakt stand mit jenen Laendern, in denen die Produktionsverhaeltnisse entsprechend guenstig waren... Ich finde, dass die wirtschaftliche Zusammenarbeit aber auch ein Zeichen fuer die Staerke Deutschlands ist und ein Zeichen dafuer, dass die deutsche Sprache eine grosse Zukunft hat. Die globale Potenz der deutschen Nation wird auch zur Verbreitung der deutschen Sprache beitragen. Ich glaube, dass dabei nicht nur wirtschaftliche, sondern auch menschliche Qualitaeten ausschlaggebend sind. Und ich hoffe, mit meinen bescheidenen Mitteln etwas dazu beitragen zu koennen, dass diese tolle Sprache noch mehr Menschen begeistert als bisher.

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