Witze sind immer mehr als Witze!

Denkt man an Humor, fallen einem normalerweise nicht das brennende Gesicht des McDonalds- Clowns und die Gewalttaten ein, die im Fernsehen vor ein paar Monaten im Nahen Osten zu sehen waren. Ebenso wenig die tausend Artikel, die nachher geschrieben wurden. Dabei haben die Mohammed-Karikaturen manche Leser in Europa zum Lachen gebracht, wenngleich nur auf der einen Seite des Mittelmeers.

Auf der anderen Seite haben nicht so viele mitgelacht und sich stattdessen das erste Mal nach langer Zeit wieder an Daenemark erinnert. In beiden Faellen waren die Folgen der Karikaturen laecherlich, aber kaum zum Lachen. Diese Situation – sie war der Inbegriff der tragikkomischen Konsequenzen, die die Offenheit des Humors verursachen kann. Zumindest wenn er mit explosiven politischen Spannungen und empfindlichen Themen wie Religion und Minderheiten vermischt wird. Genau diese interpretative Offenheit, die teilweise fuer den Reichtum des Humors sorgt, ist gleichzeitig etwas, das dieses Phaenomen so komplex und problematisch macht.

Oft wird behauptet, es gehe beim Humor nur um die Vergnuegung und das Lachen, und vielleicht stimmt das teilweise. Jedoch nur so lange alle an der Kommunikation Beteiligen sich ueber die Normen des Humors einig sind. Die Offenheit in der Interpretation eines Witzes als Humor oder Beleidigung ist direkt mit dem sozialen Konsensus darueber verbunden, worueber man sich in der Oeffentlichkeit lustig machen darf. Und worueber nicht. Dieser Konsens – normalerweise >politische Korrektheit< genannt - sollte hinterfragt werden. Denn er ist nicht universell. Sprich: Er kann als Werte- und Normengebaeude nicht in jedem Land gleich sein, wie beispielsweise die Pressefreiheit, die in letzter Zeit herangezogen wurde, um ethnische Witze zu legitimieren. In derselben Zeitspanne, in der die Polemik ueber die Karikaturen ausgebrochen ist, gab es eine Polemik in Oesterreich ueber Kunstfreiheit. Als Teil einer Werbekampagne fuer die oesterreichische EU-Praesidentschaft hat ein Kuenstler ein Plakat gemacht, auf dem Chirac, Elisabeth II und Bush nackt beim >Geschlechtsakt< ueberrascht werden. Viele Politiker - von >Your Majesty< erst gar nicht zu sprechen - fanden das Plakat aus irgendeinem geheimnisvollen Grund nicht lustig. Oder, um es mit den Worten der Aussenministerin von Oesterreich zu sagen: >nicht sehr hilfreich<. Die Folge: Das Plakat wurde daraufhin abmontiert. Im Gegensatz zu dem, was mit den Karikaturen passierte, hat keine Zeitung das umstrittene Plakat veroeffentlicht, was etwa im Rahmen einer Diskussion ueber Kunstfreiheit haette geschehen koennen; es gab keine Solidarisierung mit dem Kuenstler. Was uns das im Hinblick auf den so genannten Karrikaturen-Streit sagt, liegt auf der Hand: Es herrscht eine Doppelmoral, wenn es um politisch korrekten Humor geht. Doch ist da vielleicht mehr? Die Offenheit des ethnischen Humors ist auch von grosser Wichtigkeit hinsichtlich der Ideen, die durch ihn verbreitet werden. Ethnischer Humor, der in den Medien zirkuliert, beruht auf Stereotypen und falschen Schilderungen ethnischer Gruppen. Es heisst, solche Witze seien >nur zum Scherz< oder >Ausnahmen< im vorherrschenden Sozialdiskurs. Und ferner: Humoristische Aeusserungen seien Aeusserungen, die sich selbst dekonstruierten. Beispielsweise dadurch, dass sie sich selbst als etwas Unernstes darstellten, im Gegensatz zu ernsten Behauptungen. Doch wird das >Es war nur ein Scherz<-Argument nicht auch benutzt, um die aggressivsten rassistischen Witze zu rechtfertigen? Man hat den Eindruck, dass solche Argumente manchmal davon ausgehen, dass es gar keine ethnischen Vorurteile in der Gesellschaft gibt. Und dass solche Witze deshalb unbedeutend werden. Grob formuliert: >Weil es gar keinen echten Rassismus in der Gesellschaft gibt, koennen ethnische Witze nicht rassistisch sein<. Das ist natuerlich absolut logisch. Inhalte werden in den Medien nicht von jedem kritisch betrachtet. Deshalb sollte man Witze als kulturelle Produkte ansehen, die das Potential in sich bergen, die Meinung vieler Individuen zu gestalten. Analog dazu, dass >falsche< Ereignisse fuer >wahr< genommen werden, wenn man sie oft genug wiederholt [ich spiele jetzt nicht nur auf den Krieg im Irak und CNN an] - analog dazu koennen ethnische Witze zu einer vorgefassten Meinung ueber andere Gruppen werden. Denn ob es witzig ist oder nicht: Alle Muslime [sogar der Oberste] werden in Witzen als Terroristen dargestellt. Waere es da eine grosse Ueberraschung, wenn die Vorurteile gegenueber den Muslimen in unserer Gesellschaft nicht zuletzt dadurch laenger bestehen blieben? Fuer mich lautet die Konsequenz aus der Polemik ueber die Karikaturen deshalb wie folgt: Ethnischer und religioeser Humor ist etwas, das - auf sozialen Konsensus rekurrierend - in den sogenannten serioesen Medien vermieden werden sollte: weil die Interpretationen ethnischer Witze wegen der offenen Natur des Humors nicht zu kontrollieren sind und deshalb potenziell die Beziehungen zwischen veschiedenen Gruppen als auch die gegenseitige Wahrnehmung verzerren koennten.

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