Wir braucht keine Mauern

Fast alle Architekten und Urbanisten wissen, dass die Idee der Gemeinschaft sich dem Untergang naehert. Sie glauben, dass sie eine moralische und soziale Verantwortung haben, dieses alte Gut wieder instand zu setzen. Leider hat keiner von ihnen eine zuendende Idee, was Gemeinschaft eigentlich bedeutet und wie man sie ueberhaupt herstellt.

Der Kollaps der Gemeinschaft – und auch die Angst vor diesem Kollaps – ist heute eines der Hauptthemen des Diskurses in Grossbritannien. Es wird viel darueber gesprochen, dass Innenstaedte auseinander fallen, urbane Zentren verfallen und Doerfer zu gottverlassenen Orten werden. Die Zeitungen hier sind voll von Geschichten ueber Teenager-Gewalt, die Zergliederung der Gemeinden, auseinander brechende Familien und rassistische Spannungen.

Die Probleme werden vollkommen uebertrieben dargestellt und die >Loesungen< von offizieller Seite machen die Dinge oft noch schlimmer. Bei jeder Gelegenheit wird uns erzaehlt, dass die Fragmentierung der Gesellschaft durch asoziales Verhalten verursacht wird. Dabei sind die Verhaeltnisse weitaus dialektischer. Das Problem ist, dass wenn einmal die alltaeglichen Verhaltensweisen von Individuen fuer verdaechtig erklaert werden – und so auch fuer groessere soziale Probleme verantwortlich gemacht werden – das Ergebnis nur sein kann, dass es noch mehr Einmischung in das Privatleben gibt, mehr Angst und letztendlich noch mehr Fragmentierung.

Wenn uns permanent erzaehlt wird, dass wir selbst am Zusammenbruch der Gemeinschaft Schuld sind, ist es keine Ueberraschung, dass die Baender der Gemeinschaft noch schneller reissen. Wenn wir also akzeptieren, dass andere Menschen ein Problem darstellen, wie koennen wir dann darauf hoffen, dass sich Solidaritaet einstellt? Mit solchen Themen beschaeftigen wir uns beim >Future Cities Project<.

Das >Future Cities Project< ist eine internationalistische und humanistische Organisation. Wir hinterfragen und untersuchen alles, was mit dem Thema Stadt zu tun hat. In gewisser Hinsicht kehren wir somit zu den Grundprinzipien der Architektur zurueck und stehen den Entwicklungen wie Determinismus, Instrumentalisierung und Dogmatismus in der gegenwaertigen Architektur sehr kritisch gegenueber. Gebaeude werden heutzutage fuer alles Moegliche verantwortlich gemacht. Von der Erderwaermung ueber die Erhoehung des Ueberflutungsrisikos bis hin zur Ungesundheit der Menschen und der Ausbeutung der Natur. Gleichzeitig muss die Stadtplanung derzeit so etwas wie Gemeinschaft herstellen, Werte wieder beleben, die Wirtschaft ankurbeln und dafuer sorgen, dass es uns allen gut geht. Kann diese Rechnung aufgehen? Solche Fragen treiben uns um.

Wir glauben an eine geteilte Grundlage aller Menschen. Das bedeutet auch, dass wir aufhoeren muessen auf andere zu schauen, um Solidaritaet herzustellen. Es gibt kaum Diskussionen darueber, ob die gegenwaertigen Versuche, Uniformitaet in unseren Verhaltensweisen herzustellen ueberhaupt hilfreich sind und niemand hinterfragt die staatlich gefoerderte Community-Industrie, die regelmaessig in unser Leben eingreift. Wir muessen endlich erkennen, dass die gegenwaertigen Versuche von Aktivisten Gemeinschaft durch Solidaritaet zu generieren, den Prozess der Gemeinschaftsbildung eigentlich untergraebt. Das ist ein bisschen wie mit dem Ausdruck >Demokratie erzwingen< – ein Widerspruch in sich selbst.

Der Aufstieg der Gated Community ist nur ein Beispiel fuer den Einfluss von Architektur auf Gemeinschaftsbildung. Es ist noch gar nicht so lange her, da versteckten sich die veraengstigten Reichen hinter Zaeunen. Heute fuehlt sich jeder bedroht und wir erschaffen Gated Communities ohne Zaeune. Wofuer brauchen wir schon Metallgitter, wenn wir uns auf Design Features verlassen koennen, die ungebetene Gaeste von selbst draussen halten? Misstrauisch beobachten wir die Motivationen von anderen und unterbewusst ueberwachen wir uns gegenseitig. Unter diesen Umstaenden kann Gemeinschaft nicht gestiftet werden und wir fuehlen uns immer unsicherer anstatt sicherer.

Der Wunsch der Menschen, sich in ihren Gemeinden zu engagieren ist vernuenftig. Doch Teil der Beteiligungsmaschine zu sein, kann kein wirkliches Engagement ersetzen. Heute gibt es sogar Freiwilligeninitiativen, die sich ueber Freiwillige lustig machen. Fuer mich ist alles, was die Bewegungsfreiheit und die Freiheit sich zu entscheiden einschraenkt, dem Projekt >Politisches Engagement< abtraeglich. Echtes, mobiles, kritisches, offensives und robustes politisches Engagement ist das Vitamin um Gemeinschaften zu bilden, die diesen Namen auch verdienen. Heute haben wir leider das Gegenteil. Gemeinschaften sind wie Inseln. Sie sind paranoid, defensiv, kontrolliert und ueberwacht. Diese Art von Gemeinschaft verdient diesen Namen nicht.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.