Wieso, weshalb, warum?!

Im April reiht sich das von Doug Gerbode und Reproducts geleitete Fernsehmuseum als Temporaere Botschaft in die Kette der Solidaritaetsaktionen fuer das Haus Schwarzenberg ein. Als uns das Konzept fuer die Unterstuetzenden Massnahmen zum Erhalt dieses Kommunikationsraums am Hackeschen Markt das erste Mal dargelegt wurde, haben wir sofort einen Beitrag vom Fernsehmuseum zugesichert. Denn Gruende, eine Temporaere Botschaft der Neuen Republik Schwarzenberg zu eroeffnen, gibt es zur Genuege.

Da waeren einmal abstrakte Aehnlichkeiten. Zum Beispiel steht das Reproducts-Archiv, aus dem wir das Fernsehmuseum bestuecken, laut der Legende in Toetensen bei Hamburg. Dort haben wir kurzerhand einen ganzen Gelaendekomplex zu unserem Reproducts-Labor erklaert. Dieser Miniaturstaat dient als ueberschaubare Metapher fuer Besucher im Web, um ihnen ein Image fuer unsere Arbeit zu bieten – unsere Idee sollte eine visuelle Heimat bekommen. Ganz aehnlich agieren die Schwarzenberger, wenn sie ihr Haus zur Republik erklaeren. Nur mit dem Unterschied, dass hier das reale Haus eine neue Gestalt in Form der Idee eines definierten sozialen Gebildes gewinnt – eine Ansammlung von Geschaefts- und rbeitsraeumen wird zur Republik.

So abstrakte und zudem dialektische Verrenkungen sind vielleicht Ausloeser fuer zustimmendes Kopfnicken, aber kaum fuer Aktivitaet. Zumindest nicht bei uns. Die ebenso spontane wie sichere Sympathie fuer einen Ort, den ich als Nicht-Berliner hoechstens als Konsument des Kino Central oder dem Eschschloraque kenne, muss schon auf etwas tiefgruendigerem Fun fussen. Das klingt trotzdem erstmal oberflaechlich und koennte zu dem Verdacht fuehren, schon die schlichte Sehnsucht nach aesthetischer Aehnlichkeit, wuerde als Aktionsmotor reichen: Das >temporaere< Museum jetzt auch als >temporaere< Botschaft? Nun ja. Wie schon gesagt: Bei weitem zu oberflaechlich. Sicher, das Fernsehmuseum existiert in Berlin >nur< ein einziges Mal im Monat [jeden 1. Freitag im Monat in der Z-Bar], um dort uebersehene oder vergessene Fernsehjuwelen unter thematischen Gesichtspunkten zu praesentieren. Es ist also nur ein fluechtiger, >temporaerer< Stern am Unterhaltungshimmel der Hauptstadt. Fuer die zwei, drei Stunden allerdings recht bunt. Damit meine ich in erster Linie die Atmosphaere, die dabei entsteht. Kollektives Fernsehen ist manchmal wie ein Psycho-Seminar. Das kann ziemlich aufregend werden im Kopf und hinterlaesst ein gutes Gefuehl. Sonst liesse sich dieser oekonomische Unsinn von Zeit- und Materialaufwand ohne jede Foerderung oder Eintrittsgeldforderung auch nicht lange durchhalten. Da ist dann auch die erste ernste Ebene von spontaner Solidaritaet benannt, denn hier scheint mir eine Verwandtschaft zum Haus Schwarzenberg vorzuliegen: Orte, die ihre Tueren abseits der jeweils aktuell ausgetretenen Kulturflure oder kultigen Klubbingbeduerfnisse oeffnen, ziehen ein besonderes Publikum an. Bei aller Homogenitaet der Entscheidung, hier seine Zeit zu verbringen, ist die Dichte der heterogenen Eigenheiten der Besucher hoeher als anderswo. Das ist mindestens abwechslungsreich und an guten Abenden die Basis fuer spannende Kommunikation. Es ist eine Energie, die motiviert, ein solches Territorium weiter zu behaupten. Aber reicht diese Energie allein aus, um so ein Projekt ueber Jahre hinweg zu verfolgen? Sicher nicht. Am grundsaetzlichen Glauben, das Richtige und Gute zu tun, naehrt sich das Feuer der Leidenschaft. Es bringt Konzepte fuer Raeume zum Leuchten. Obwohl es sich so anhoert, muss man nun weder in den philosophischen Zauberhut ethischer Praeambeln noch in die Esomuetze des Gutmenschentums greifen. Es geht schlicht um ein paar Erfahrungswerte aus ueber zehn Jahren eigener Aktivitaeten im oeffentlichen Raum. Territorien, Freiraeume, wollen persoenlich abgesteckt werden. Sie muessen ueber eine wie auch immer abstrakte, so doch definierte Gestalt verfuegen, sonst erkennt man sie selbst nicht wieder und andere schon gar nicht. Man muss diesen Raum pflegen und manchmal auch behaupten. Das kann man allein tun oder mit anderen zusammen. Man kann es aus eigener Kraft tun oder seine Kraft darauf verwenden, andere zu ueberzeugen einen zu unterstuetzen oder zu foerdern. Entscheidend ist das Ergebnis: Ploetzlich gibt es in diesem Flecken des Immergleichen etwas Anderes: eine Reibungsflaeche, einen Stolperstein, ein Irrlicht - eine Moeglichkeit, etwas anderes zu sehen, zu denken, zu empfinden. Eine Moeglichkeit, sein Dasein zu historisieren und vielleicht zu aendern. Ob das nun wirklich angenommen wird oder nur als Komplementaerreiz konsumiert wird, ist voellig egal. Es geht um die Schaffung und den Erhalt von Kommunikationsspielraeumen, die den Individuen eine intelligente und vielfaeltige Wahl ermoeglichen. Innerhalb dieser Zonen muss sich sowies wieder jeder selbst seinen Spielraum abstecken. Das Spiel geht staendig von vorne los, bei jedem Einzelnen. Genau bei der Bereitstellung dieser Moeglichkeiten muss man die Leute vom Haus Schwarzenberg unterstuetzen. Und der Kreis, zumindest dieses Textes, schliesst sich damit beim Sonderprogramm des Fernsehmuseums, das am 4. April >Fernsehen aus der Zone< zeigt - flimmernde, verrauschte Originalaufnahmen, in den spaeten 80ern von einem Staat gesendet, dessen historische Realitaet heute immer fiktiver zu werden scheint, einem Staat, der seinen jungen Buergern auf unterhaltsame, spielerische Weise zeigen wollte, was man alles mit seiner Zeit Sinnvolles anstellen kann.

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