Wie grillt man Lego?

Wenn Dietmar Dath meint, eine Freundschaft werde erst dann richtig interessant, wenn abstraktere Dinge geteilt werden als Grillen mit den Eltern, Schwimmbad, Lego – dann frage ich mich: Wie abstrakt soll‘s denn sein? Ist das Leben nicht sofort abstrakt, sobald ich versuche, das Beste aus meinem Tag zu machen oder wenn ich versuche, ehrlich Gefuehle und Gedanken zu formulieren? Es ist doch der Umgang mit diesen >kleinen Dingen<, die das ganze Universum des Lebens ausmachen… Grillen mit den Eltern kann sehr abstrakt sein sowie das Spielen mit Kindern – sehr abstrakt! Das bedeutet, es ist gar nicht so von den Themen abhaengig, die ich mit Menschen teile, ob es eine interessante Beziehung zwischen dem Menschen und mir ist oder nicht.

Desgleichen diskutiere ich Themen mit Deutschen und Nichtdeutschen in gleicher Weise. Menschliche Themen, denke ich, oder Interessen des heute lebenden [jungen] Menschen. Musik, Tontechnik, Pferde, Maenner, Beziehung, Gesellschaft, Geschichte, Familie, Koerper, Kommunikation, Krankheit, Kinder, Veraenderung, Verlust, Snowboard ! Berge! Es kommen immer neue Themen dazu, und manche verschwinden wieder. Themen interessieren mich staerker, dann freue ich mich ueber intensive Gespraeche, aus denen ich mehr erfahre. Vor allem aber moechte ich gerne offen sein fuer Themen jeder Art, ueberall schlummert schliesslich das Geheimnis!

Etwas Interessantes in Gespraechen finde ich eigentlich relativ schnell, wenn ich mich auf den Menschen einlasse, wenn ich mich fuer den Menschen interessiere. Bloederweise finde ich mich manchmal im Gespraech nicht wirklich im Jetzt verweilend, sondern ein gehoeriges Stueck zurueck. Das fuehrt dazu, nicht alle Fragen zu stellen, nicht alles zu sagen, sondern erst wenn der Gespraechspartner weg ist, dann fallen mir die 1000 Dinge ein. Das finde ich schlimm! Und wuerde gerne eine Methode wissen, das zu trainieren. Kennt sich da jemand aus?! Genauso liegt es aber auch an meiner Tagesform, Gemuetsverfassung, Aufnahmebereitschaft etc., genauso gleich bestimmt auch beim Gegenueber. Oder liegt es daran, dass ich gerade Gespraeche meine mit Menschen, in die ich verliebt bin?!

>Wie funktioniert es zwischen Menschen?< >Wie gewinne ich eine interessante Beziehung?< Ich finde, manchmal kann man gar nicht soviel selbst machen, es gibt Zwischenmenschlich- keiten, die gut funktionieren, oder nicht. Man mag sich, hat eine besondere Verbindung zu einem Menschen, nicht allein durch Gespraeche, sondern durch alle Sinne. Das geht mir ueberall so, im In- und Ausland. Allerdings bin ich im Ausland auch auf grundsaetzlich andere Menschen, Einstellungen, Koerperlichkeiten getroffen, die mich ueberrascht haben. Zum einen war ich in den USA und auf ein lax gestelltes: >What‘s up?< beantwortete ich zuerst wirklich ernsthaft wie es mir gerade geht und was mich beschaeftigte, was aber die meisten gar nicht so genau wissen wollten. Spaeter lernte ich zu sagen: >not much< oder aehnlich Belangloses. Das kannte ich noch nicht so, das war eine andere Annaeherung an den Mitmenschen. Das waere so das Zwischenmenschliche im Geistigen und im Koerperlichen ist es noch viel komischer, oder staerker…

Koerperliches Fremdsein erfuhr ich in Albanien. Dort meinte ich festzustellen, dass Kommunikation in einer groesseren Gruppe von Menschen [auch eine nicht ortsgebunde Zusammengehoerigkeit] ganz anders funktionierte, als ich erfassen konnte. Ich konnte diese Menschen nicht erreichen, wenn sie sich nicht auf mich eingelassen haben. Es ist relativ schwer zu beschreiben, was ich da empfunden habe, aber es faengt schon damit an, dass die Menschen dort mit dem Kopf schuetteln und es heisst >ja<, mit dem kopf nicken und es heisst >nein<, aber meistens schuetteln sie irgendwie den Kopf, so im Kreis… nicht dass ich nicht weiss, dass das eben so das allgemeine Verstecken von Eindeutigkeiten ist, aber trotzdem bin ich nicht an die Menschen herangekommen. Hauptsaechlich war es Kommunikation, die ausserhalb von Sprache stattfand. Ich glaubte zu merken, dass ich ausgeschlossen war. Ich weiss nicht, ob es die Koerper sind, die sich gestimmt haben untereinander und kommt eine Fremde, faellt sie schon dadurch auf, dass sie anders schwingt… Albanien war schwierig und wieder haben Themen nicht undedingt geholfen und eigentlich nur mit einem Menschen und mit diesem habe ich doch mehr Musik gemacht, als drueber gesprochen.

Ausserdem ist meine eigene Verhaltensweise noch sehr wichtig, ueberall und immer, jenseits von Themen, und das ueberall, wo ich bisher war. Wie verhalte ich mich zu und innerhalb von Menschen, gesellschaftlichen Verhaeltnissen, sozialen Spannungen, Problemen. Wie ehrlich bin ich, wie entschlossen, wie mutig, froehlich, hilfsbereit, wissend. Mangel an Aufgaben, Mangel an >Aufgehobensein< und fehlende Gemeinschaft sind persoenliche Gruende gewesen, um an der Gruendung eines Ortes teilzunehmen wie dem >Ausland<. Aber auch Neugier, Tatendrang, Lust. Aber durch eine persoenliche Kontaktarmut oder durch einen Mangel an Mitstreitern wollte ich das, was ich bisher machte [Konzerte veranstalten] mit mehr [jungen] Menschen machen.

Ich selber hielt mich nie fuer arm, ich kannte keine Armut. Erst mit dem Tod der Grosseltern und des Grossonkels und dem Verlust ihrer, ihrer Haeuser, ihrer Lebensentwuerfe, ihrer Lebensweise, ihres Wissens, ihrer Orte, die meine Orte waren, lernte ich Armut kennen. Dazu noch gab meine Mutter den Ort auf, in dem ich zuhause war. Und gab sich selbst auf… Und mit einem Mal kam es mir so vor, als haette ich nichts mehr ausser meinem eigenen Leben und das kam mir so wenig und so wacklig vor. Keine Orte, kein Platz, keine Menschen, die ich zu mir zaehlen konnte, keine Moeglichkeit zu fluechten in eine Geborgenheit… Fuer mich persoenlich ein echtes Armutsgefuehl, das noch immer andauert, ein Schock. Das fuehrte jedenfalls dazu, dass ich meine einsame Lebensrealitaet spuerte und diese noch mehr als zuvor fuer grundfalsch hielt. Alleinsein tut mir gut, aber nicht als Lebensentwurf. Ich denke, diese Art von Armut oder diesen Mangel kennen viele Menschen und deshalb halte ich Orte, an denen man etwas zusammen macht, oder an denen man zusammensein kann, fuer sehr wichtig. Und ich denke, es ist eine grosse Armut, das Einsamsein, das Verlorensein.

Doch was mangelt es der Berliner Veranstalterszene, die wir im Cluster einbeziehen wollen? An Zukunft, an Realitaet, anerkanntem Gesellschaftsbezug, an Entwicklungschancen ueber das hinaus, was sie ist… An Ruecklagen, an Strukturen, die aufnehmen, die Weiter- und Umentwicklung und gleichzeitigen Nichtausschluss zulassen/handhaben koennen, an finanziellen Moeglichkeiten.

Cluster kann hier zusammenfuehren. Cluster bedeutet fuer mich die Aufgabe der verstreuten Vielfalt, da sie keine Zukunft hat. Die Aufgabe der symphatischen Diversitaet, weil sie uns nicht weiterbringt. Ich rede hier bewusst im Singular, denn die Meinungen der anderen AuslandsbetreiberInnen ist durchaus unterschiedlich. Wir machen einen Club gemeinsam, aber jede und jeder hat eigene Vorstellungen. Aber im Allgemeinen weisen wir darauf hin, dass wir so nicht mehr koennen, nicht mehr wollen. Unsere kreative Energie und unsere terminierte Zeit geht fuer Gelderwerb drauf. Besser wir werden selber Unternehmer, anstatt dass wir uns unternehmen lassen. Cluster ist fuer mich die gemeinsame Nutzung von selbst erbrachten Gewinnen und die gemeinsame Verwaltung eines Objektes zum Zwecke der Reduzierung von Arbeitsleistung, die sonst mehr als doppelt gemacht werden muesste.

Wir nutzen Ressourcen effektiv gemeinsam, wir integrieren Gesellschaftsgruppen, die keiner will, mit dem einen Ziel: die wirtschaftliche Selbstaendigkeit der Freien Kunst! Dabei ist uns relativ egal, was der jeweilige Veranstalter oder Kuenstler im Cluster macht, solange es sich bezahlt macht. Das bedeutet nicht, dass wir kommerzielle Kunst der nichtkommerziellen vorziehen, wenn jemand ein Projekt startet, dass wirklich interessant ist, muss es nicht direkten kommerziellen Erfolg haben. Wenn wir erst einmal so einen Betrieb wie Cluster aufgebaut haben, dann gibt es auch Sicherheiten, Umstiegsmoeglichkeiten und Gewinnchancen, denn die Gewinne, die Wertsteigerung der Immobilie und die Aufwertung des Stadtviertels ist alles Unser! Dann wird sich hier einiges aendern!

Aber ich denke, dass dergleichen nicht unbedingt in der Stadt geschehen muesste, es koennte aehnliche Konzepte auch fuer laendliche Gegenden geben. Ein Dorf gruenden! Warum nicht?! Es ist ja eh einigermassen hochnaesig, dass Kultur in Berlin so toll und so wichtig ist. Das ist nicht gesund fuer das restliche Land, wenn dort nicht auch geschaffen wird… Auch woanders sollen die Leute, ihre Ideen ausleben, gerade in der Provinz. Aus der eigenen Gegend etwas zu machen lohnt sich, anstatt in diesem Masse nach Berlin zu mekkieren. Die Stadt kann Grossartiges schaffen, aber es braucht sie nicht, nicht fuer ein gemeinsames Unternehmen, nicht fuer neue gesellschaftliche Ideen. Das Gebaeude, in das man mit einem Projekt einzieht, ist schon eher wichtig, es muss Gemeinsamkeiten zulassen [grosse Raeume].

Das gemeinsame Leben? Das ist schwierig. Man muss es wollen. Man sollte einsehen, dass man nicht unbedingt alles erreicht, was man selber will, wenn man in Gemeinschaft ist. Aber man ist auch weniger alleine. Wichtig ist regelmaessige Kommunikation miteinander, so ehrlich und praezise, wie es geht, und das ist nicht gerade leicht! Und das Einhalten von Vereinbarungen und Ehrlichkeit und auch Koennen, das Uebernehmen von Veranwortung, fuer sich selbst und fuer das Gemeinsame, auch das ist nicht gerade leicht, nicht immer der einfachste Weg…

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.