Wenn Science-Fiction zu Science-Faction wird

Der dystopische Science-Fiction beginnt gern mit einer Alltagsszene: Familie sitzt am Tisch, der Fernseher strahlt unbeachtet ins Nebenzimmer einen Bericht. Nur ein paar Worte, deren Nichtbeachtung sich als fatal erweisen wird. Eine Kuriositaet vielleicht, ein echauffierter Wissenschaftler, der im Nachrichtenfluss zwischen Sport und Wetter ertrinkt. Vielleicht erzaehlt er von der Errungenschaft, Gedanken lesen zu koennen, Bilder direkt am Gehirn abzugreifen. Vielleicht von uebermenschlichen Prothesen. Oder von der Moeglichkeit, nur durch Konzentration zu sprechen, stimmlos zu telefonieren gar.

Vielleicht beginnt so Science-Fiction. Mit Sicherheit aber beginnt so Science-Faction. Kaum ein Tag, an dem nicht eine wissenschaftliche Randnotiz irgendwo aufleuchtet, deren Wirkung kaum abschaetzbar scheint. Kalifornischen Forschern ist es gelungen, mit erstaunlicher Praezision gesehene Bilder aus der Hirnaktivitaet vorherzusagen, der bionische Arm als Prothese erinnert an die Terminator-Triologie, ein Kehlkopftaster erlaubt die ersten stimmlosen Telefonate und soll bald den inneren Dialog mit dem Computer ermoeglichen, ein kuenstlicher Avatar kann erstmals zwischen eigenen und fremden Erfahrungen differenzieren. >Ich< ist nicht >Du<. Randnotizen. Keine einstuerzenden Tuerme, kein Boersencrash, keine empfindlichen Streiks. Nur eine Pressemitteilung, die irgendwo als passabler Lueckenfueller aufgegriffen wird. Im Dispositiv des Nachrichtentickers ist der notwendige Diskurs per se ausgeblendet. Die Rubrik >Vermischtes< wird nicht diskutiert. The medium is the message. Wenn Science-Fiction zu Science-Faction wird, ist es an der Zeit, dass die wissenschaftliche Kuriositaet ins Feuilleton wandert, um begriffen werden zu koennen. Um rechtzeitig >nein< sagen zu koennen oder >ja, aber<.

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