Von richtigen und falschen Tuerken

Was ist in Istanbul anders als in Deutschland? Genauer: Was ist hier in Beyoglu, dem schicken, westlichen Stadtteil von Istanbul, anders als in Berlin? Oder noch genauer: Was unterscheidet schicke Istanbul-Tuerken von meinen Kreuzberger Tuerken? Zunaechst unterscheidet sich der eine Tuerke vom anderen durch die Sprache. Das klingt logisch, ist es aber nicht. Wenn beide Tuerkisch sprechen, klingt der Kreuzberger Tuerke gepresst, kratzig und mischt seine Saetze mit deutschen Brocken. Spricht der Tuerke aus Beyoglu, singt er. Der Reiz erhoeht sich noch, wenn ein Tuerke wirklich singt, auf der Strasse, oder ein Muezzin zum Gebet ruft.

Schon in meiner ersten Nacht in Istanbul konnte ich es hoeren: wie um 05.30 Uhr aus dem Turm in alle Himmelsrichtungen Allah gepriesen wird. Dabei ist der Aufruf zum Gebet ein echter Kampf um Aufmerksamkeit. Am Fuss der Galatasaray-Bruecke mit ihren schoenen Fischrestaurants an der Seite stehen in unmittelbarer Entfernung zwei Moscheen. Doch obwohl im Glauben vereint, singen die Muezzins beider Haeuser aneinander vorbei: erst der eine, spaeter der andere dazu. Der Kampf der islamischen Gotteshaeuser erinnert mich an den Kampf zwischen Evangelischen und Katholiken in Bayern. Die Uhr evangelischer Kirchen geht oft ein wenig vor, Katholiken sehen ihnen das nach und lassen sich die Zeit.

Je laenger ich darueber nachdenke, desto mehr glaube ich, dass Tuerken in Deutschland mit Tuerken in Beyoglu wenig zu tun haben. Beyoglutuerken fasten an Ramadan, der naechste Woche beginnt, nur zu 50 Prozent, genau so viele trinken neben dem obligaten Tee Alkohol [in Kreuzberg traut sich das niemand, der Tuerke sein will] und tuerkische Maedels sind in Berlin selten sexy. In Beyoglu tanzen in den Nachtclubs Tuerken mit Ray Ban-Brillen und ohne Kopftuch um die Wette, in meinem Berliner Viertel trauen sich Frauen oft nicht mal aus der Wohnung. Doch ich will nicht unfair sein. Auf eine Sache, die ich hier in Istanbul vermisse, freue ich mich ganz besonders: auf den Kreuzberger Doener Kebab. Den kennt hier naemlich keiner.

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