Von der Emailisierung des Deutschen

Man freut sich immer, Post zu bekommen. Hollywood hat das vor Jahren in >You’ve got mail< thematisiert. Der Film fuehrte einen Abloeseprozess vor Augen – vom Brief zur Email. Gestern war die elektronische Variante einfach nur die schnellere, billigere Schwester. Die so genannte digitale Revolution hat jedoch ihren Charakter veraendert. Vor allem ihre Form. Gerade da sie so schnell vom Sender zum Empfaenger und bei Bedarf wieder zurueck gelangt. Das Dialogische des klassischen Briefes ist hier laengst Vergangenheit. Damit alles noch schneller geht, werden Grammatik und Ortographie entsprechend angepasst.

Kaum jemand schreibt heute noch korrektes Deutsch. Gross- und Kleinschreibung? Voellig vergessen. Abkuerzungen wie >lg< fuer >liebe Gruesse< sind absolut normal. Gefuehlsausdruecke wie >grins< oder Smileys sind in allen vorstellbaren Varianten laengst etabliert: :-), ;-), :-0... Kurz: Schrift wird immer mehr Zeichen. Die Frage, die sich allen aufdraengt: Ist das ein Schritt zurueck oder ein Schritt nach vorn? Hat das was von der primitiven Kommunikationsform der Hoehlenmenschen? Oder aehnelt's eher der asiatischen Bildsprache mit ihrem festen Platz in der Science Fiction? Wie dem auch sei: Beim Email- oder SMS-Schreiben denkt eigentlich niemand mehr an die schoene Aesthetik des Briefes, sondern hackt einfach drauf los. Fuer die Wissenschaft Grund genug, sich damit zu befassen. Der Sammelband >Von *hdl* bis *cul8r*< zum Beispiel laesst 19 Autoren dazu Stellung beziehen. Jeder fuer sich erforscht den heissen Draht zwischen der geschriebenen Emailsprache und dem Deutschen, wie es im Lehrbuch steht. Einige interessante Thesen werden hier schon praesentiert. Erstaunlich allerdings ist, wie das Banale zur Grundlage hochtrabender Theorien wird. Ob dieser Ansatz ein Schritt zurueck oder ein Schritt nach vorn ist, sei dahin gestellt.

Ein Kommentar zu “Von der Emailisierung des Deutschen

  1. Eine Frage, die ich daraus ableite und an die Leser weitergeben moechte: Waere es nicht grundsaetzlich besser Deutsch im Plural zu schreiben und zu denken? Sind die Tage der Leitsprachenidee gezaehlt? Gibt es nicht viele deutsche Sprachen, viele Varianten, die alle gleichwertig nebeneinander existieren und die alle fuer sich den Anspruch erheben koennen, erlernt zu werden?

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