Von der bi- zur trinationalen Viadrina

Seit 1999 bin ich Praesidentin der Europa-Universitaet Viadrina in Frankfurt/Oder. Seit meinem Amtsantritt vor beinahe fuenf Jahren hat sich die finanzielle Situation der deutschen Universitaeten noch einmal erheblich verschlechtert. Dabei wird auch immer klarer, dass sich die Hochschulen nur selbst am Schopf aus dem Sumpf ziehen koennen, denn Hilfe von aussen ist nicht zu erwarten. An der Viadrina haben wir – die Kolleginnen und Kollegen aus der Dozentenschaft, die Verwaltung und die Studierenden – einen intensiven Diskussionsprozess ueber die Zukunft unserer Hochschule eingeleitet, der es zum Ziel hat, die Viadrina konsequent weiter zu entwickeln und von anderen Hochschulen abzuheben. Ich moechte an einigen Eckpunkten aufzeigen, wohin wir uns orientiert haben und welche Ziele wir fuer die naechsten Jahre verfolgen.

1. Die Viadrina fuehrt das Wort Europa nicht nur im Namen, sondern ist auch in ihrer gesamten Ausrichtung der Idee des zusammenwachsenden Europa verpflichtet. Unsere Studierenden lernen im Verlauf ihres Studiums mehrere Sprachen und verbringen Auslandssemester quer durch Europa und die Welt. Schon jetzt haben wir vierzig Prozent auslaendische Studierende – so viele, wie keine andere deutsche Universitaet. Den Schwerpunkt in unserer internationalen Ausrichtung bildet bislang Polen, von dem wir raeumlich nur durch die Oder getrennt sind. Doch wir wollen mehr sein als eine binationale Universitaet.

Deswegen haben wir unsere Beziehungen zu anderen mittel- und osteuropaeischen Laendern systematisch weiter ausgebaut, so dass so manchem ukrainischen, belarussischem oder bulgarischem Studenten beim Wort Deutschland zuerst Frankfurt/Oder einfaellt. Wir wollen diesen Weg der konsequenten Internationalisierung weiter beschreiten und auch nach Westeuropa ausweiten. Schon fuer 2006 ist die Einrichtung von viersprachigen Studiengaengen geplant [polnisch, franzoesisch, deutsch und als >Brueckensprache< englisch]. So wollen wir die Viadrina zu einer avantgardistischen Bildungsstaette im europaeischen Einigungsprozess machen. Sie soll ein Ort werden, an dem junge Menschen aus ganz Europa Kontakte miteinander schliessen, von denen sie spaeter profitieren. 2. Universitaeten beduerfen heute einer anderen Organisationsform als sie diese traditionell innehatten. Sie muessen kuenftig mehr Rechte bekommen, eigenverantwortlich Strukturen und Lehrangebote zu entwickeln und sich Personal und Studierende in eigener Regie auszusuchen. Sie muessen das Recht haben, finanzielle Mittel, die sie durch Einsparungen oder Einnahmen erwirtschaften, auch zu behalten und fuer den Ausbau des Studienangebots einzusetzen. Zudem brauchen sie Planungssicherheit und muessen davor geschuetzt werden, dass alle drei Monate Haushaltssperren verhaengt werden. Es gibt viele Modelle, um den Universitaeten mehr Autonomie zu verschaffen. Das sicherlich weitestgehende ist, Hochschulen konsequent zu entstaatlichen und sie fortan als Stiftungen weiter zu fuehren. Diesen Weg will die Viadrina in den kommenden Jahren beschreiten. Wir eignen uns als bundesweit bedeutsames Modellprojekt, weil die Universitaet vergleichsweise klein, dabei aber hoch profiliert ist. Unseren Plaenen nach wird die Hochschule im Jahr 2006 per Gesetz aus der Traegerschaft des Landes Brandenburg entlassen und als Stiftung neu begruendet. Der Staat uebt kuenftig seinen Einfluss aus, indem er Vertreter in die Kontrollgremien der Stiftung entsendet, doch ueber zahlreiche Fragen - von Personal und Procurement bis Liegenschaftsmanagement - entscheidet die Hochschule kuenftig selbst. Die Finanzierung des laufenden Betriebes erfolgt dabei privat und oeffentlich: Das Land Brandenburg garantiert einen Zuschuss zum Haushalt in bisheriger Hoehe, parallel dazu sorgen Einnahmen aus dem Stiftungsvermoegen [das durch private Zustiftungen kontinuierlich wachsen soll] dafuer, dass die Hochschule neue und weitere Aufgaben wahrnehmen kann. 3. Wir leben in einer unuebersichtlichen Zeit, in der die Vermittlung von Wissen und Faehigkeiten auch deswegen schwieriger wird, weil schneller als jemals zuvor neues Wissen und andersartige Strukturen entstehen, die aeltere Gewissheiten und tradierte Verfahrenswege abloesen. Bildungspolitik muss darauf nicht nur mit einer Flexibilisierung ihrer aeusseren Verfasstheit, sondern auch mit einer staendigen Aktualisierung der akademischen Inhalte und Lehrmethoden reagieren. Wir haben gemeinsam mit der Humboldt-Universitaet zu Berlin die Humboldt-Viadrina School of Governance gegruendet, die als Forschungs- und Lehreinheit anschaulich machen soll, wie modernes und gutes Regieren im 21. Jahrhundert aussehen koennte. An dieser Einrichtung werden Politikwissenschaftler zusammen mit Oekonomen, Juristen und - ganz wichtig - Praktikern multidisziplinaer daran arbeiten, Loesungsvorschlaege fuer politische Probleme zu entwickeln und in den politischen Prozess einzuspeisen. Die Humboldt-Viadrina School of Governance wendet sich an Universitaetsabsolventen mit erster Berufserfahrung und will sie auf verantwortliche Positionen in Politik, Verwaltung und Nichtregierungsorganisationen, aber auch im privaten Sektor vorbereiten. Mit einem innovativen Programm aus rechts- und sozialwissenschaftlichen Grundlagen, angewandter Politikforschung, Management und Faehigkeiten wie Mediation, Verhandlungsfuehrung und Prozessbegleitung wollen wir zugleich Beitraege zur Politik- wie zur Hochschulreform leisten. Organisiert wird die School als Public-Private-Partnership: Eine privat finanzierte School entwickelt unter der wissenschaftlichen Verantwortung zweier staatlicher Universitaeten Studiengaenge, Forschungsprogramme und praktisch-politische Projekte. Dies sind - in aller Kuerze - drei Beitraege, welche die Viadrina zur Weiterentwicklung der Hochschulen leistet: wir setzen auf konsequente mehrsprachige Internationalisierung bei gleichzeitiger Erhoehung der Autonomie der Universitaet und entwickeln Studieninhalte und -programme, die den komplexen Problemen von morgen angemessen sind. Mit uns im Wettbewerb stehende Universitaeten gehen andere Wege und entwickeln alternative Profile. Ich kann das nur gutheissen. Denn genau darum geht es: Wir brauchen eine hoehere Vielfalt in der Hochschullandschaft und einen Wettbewerb, der nicht auf Verdraengung, sondern auf Differenzierung der einzelnen Einrichtungen abzielt.

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.