Vom Zeit haben

Seit der Ausgabe 391 nehme ich mir Zeit fuer euch. Nicht immer ganz mein Geschmack, die Berliner Gazette, aber doch immerhin etwas, das ich als angenehm und unterhaltsam bezeichne. Zur Zeit ist es die Zeit, mit dem ihr euch auseinandersetzt. Nun ja, warum nicht?

Das hat man wohl seit Menschenge- denken immer getan. Menschen denken darueber nach, was Menschen getan haben zu ihrer Zeit, derzeit tun, wahrscheinlich tun werden, eigentlich tun sollten, damit… damit was? Wir Menschen, ich nehme mich nicht davon aus, stellen bei aller Begabtheit, bei allem Intellekt, der Moeglichkeit zu vernunftbegabtem Handeln, doch wohl die duemmste Spezies dar, die den Globus bevoelkert.

Wir wissen, wann wir Fehler machen, wodurch wir sie machen, doch wir vermeiden sie nicht. Wir schaffen es immer wieder, uns an Bloedheit und Schwachsinn zu uebertreffen, das Ausmass unserer Fehler zu steigern, um dann sehenden Auges unseren Art spezifischen Wahnsinn voran zu treiben. …bla, bla, blaa! Hallo? War ich nicht gut? Hab ich den Zeitgeist nicht wunderbar getroffen? He Leute, das kommt doch alles sehr bekannt vor, oder nicht? Ich bin mir sicher, dass ich nicht in einer anderen Zeit leben moechte, denn das Gejammere gibt es seit Menschengedenken.

Das, was ich fuer mich festgestellt habe, bedaure, aber nicht mittragen will, ist, dass in unserer Gesellschaft das Gejammere kultiviert und zum Stil erhoben wird, dass in einer Zeit umfassender Kommunikation die Sprachlosigkeit und die Unfaehigkeit zur intimen Begegnung zunimmt und die Bereitwilligkeit, sich allgemeiner Fremdbestimmung zu unterwerfen, um dann endlich von der hektischen Zeit mitreden zu koennen, die sich vermehrt als Parasit einnistet. Nein, ich trage kein Handy bei mir, um verfuegbar zu sein. Ja, ich goenne mir den Luxus, Zeit zu haben, Zeit, euch zu schreiben, Zeit fuer den Nachbarn, fuer Freunde zu haben, fuer mich selbst und die Zeit zu vergessen, wenn ich Musik mache.

Ja, ich weiss, dass das fuer Luxus erachtet wird, dass nicht jeder so etwas zu jeder Zeit kann. Dennoch bin ich ueberzeugt, dass es jedem auf seine Art, zu seiner Zeit moeglich ist, dass jeder seinen Anspruch auf Glueckseeligkeit geltend machen kann. Das Leben heute ist nicht schlechter, als zu jeder anderen Zeit. Das, was zu jeder Zeit verhindert hat, dass wir uns dessen bewusst werden, ist die Unfaehigkeit, den Weg des Nachbarn zu seiner Art der Glueckseeligkeit zu respektieren, sie ihm zu goennen. Zeitgeist hin, Zeitgeist her, er zeigt uns doch immer nur das, was wir von uns selbst schon lange wissen und das schon immer und auch weiterhin. usw. usw. us…u… [Anm. d. Red.: Der Autor hat diesen Beitrag als Antwort auf die Second Time-Aktion eingereicht]

Ein Kommentar zu “Vom Zeit haben

Kommentar schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.