Volle Fahrt voraus

Romuard Hazoumé hat fuer den Aue-Pavillon der documen- ta12 ein Schiff gebaut, auf dem man nicht fahren kann. Das ist nicht weiter schlimm, schliesslich ist Hazoumé kein Schiffsbauer, sondern Kuenstler. Zusammengesetzt hat Hazoume sein Schiff aus hunderten von Plastik-Oelkanistern, Gebrauchsartikel in seinem Heimatland Benin. Oel ist der wichtigste Bodenschatz, seit 1982 wird es hier gefoerdert und stellt einen wichtigen Anteil des Bruttoinlandsprodukts. Es gibt viel Oel in Benin und trotzdem gehoeren die Menschen dort zu den aermsten der Welt.

Romuard Hazoumé hat fuer die documenta ein Schiff gebaut aus Oelkanistern, deren Haelse wie schwarze Muender aus- sehen. Er weiss, dass man damit nicht fahren kann, auch nicht weg aus Benin, das an seiner Suedspitze in den Atlantischen Ozean grenzt. Deshalb nennt Hazoumé seine Installation auch >Dream<. Vor das grosse Boot hat der Kuenstler drei Zeilen geschrieben in Yoruba, seiner Sprache. Sie lauten: >Tà bà ló aó kú / Tàó bà ló aó kú / Kà kà ká kú ká kú ló ká kú< was in ei- ner anderen Sprache, die weniger Wert auf Betonungen legt, ungefaehr heisst >Damned if they leave, damned if they stay: better at least, to have gone, and be doomed in the boat of their dreams.< Romuard Hazoumé hat ein Schiff gebaut fuer die groesste Kunstausstellung der Welt und er hat einen Traum: dass seine Landsleute irgendwann nicht mehr Afrika umrunden muessen, um Land in ihrem Leben zu sehen. Genau gesagt dreht sich al- les, wofuer Hazoumé kaempft, um einen einzigen Buchstaben. Um das >ó< in >Tàó<, was >bleiben< bedeutet gegenueber >Tà< in der ersten Zeile, was >gehen< heisst. Die Sprache selbst scheint dem Traum von der schoenen neuen Welt zu misstrauen: fuer >bleiben< braucht sie mehr Raum als fuer >gehen<. Und das ist vielleicht genau das, was ein Kuenstler einem Schiffsbauer voraushat: ein Schiff bauen zu koennen, das ins Landesinnere faehrt.

5 Kommentare zu “Volle Fahrt voraus

  1. Also, das scheint ja eine nette Idee und so, aber (und das denke ich bei einer Menge Zeug, was ich von der documenta höre, sehe und lese), ist das so großartig, dass es auf der größten, nur alle Jubeljahre stattfindenden Kunstausstellung gezeigt werden muss? Oder habe ich es nur nicht verstanden, geht es darum gar nicht?

  2. ja, das ist ein häufiger Vorwurf gegenüber der documenta12, der sich auch auf andere Werke bezieht. Ich glaube nur fest daran, dass sich politische Arbeiten wie das von Hazoumé in einem solchen Rahmen wie einer Ausstellung zeitgenössischer Kunst auf vielfältige Weise lesen lassen und ihre ganze Tiefenwirkung erst im Wechselspiel zu anderen Werken einer Ausstellung entfalten. Hinter dem Schiff steht ein großer langer Prospekt, auf dem die Photographie eines langen weißen Strandes abgebildet ist. Links im Bild erscheint eine Gruppe afrikanischer Kinder. Dieses Bild, das zum Schiff gehört und erst gemeinsam mit ihm den „Traum“ des Künstlers ausmacht, wirft die Frage nach der Authentizität einer Urlaubsidylle auf, es hinterfragt jedes photographische Erlebnis und spielt mit den Vorstellungen der Zuschauer gegenüber Afrika.
    Was würdest du stattdessen von einer zeitgenössischen Kunstausstellung erwarten? Muss Kunst unverständlich sein, muss sie sich durch Zitate legitimieren, sollte sie schön sein?

  3. @ susanne: ich denke, dass prinzip best-of funktioniert bei Kunst doch eh nicht. wenn es eine popsong-ausstellung wäre, dann könnte man die Nummer eins aus jedem land einladen… aber bei kunst gibt es solche charts nicht… naja vielleicht den index von christie’s ;) also von daher finde ich die vorwürfe die da an die documenta gemacht werden sehr schwierig. es soll doch einen überblick geben. man sollte sich eher die leute vorknöpfen, die die documenta derart hypen, als wenn es die Oscars wären. Wir sind ja hier nicht in Amerika. Noch nicht!

  4. @ magdalena
    ist nicht das gute alte Europa amerikanisierter als wir denken? Schließlich wird auf der Biennale in Venedig am Ende das beste Kunstwerk gewählt, eigentlich ja das beste Land, denn jedes Land stellt seinen “besten” Künstler vor.

  5. @Magdalena: Es geht mir weniger darum, ob diese Kunstwerke es “verdient” haben oder andere eher. Vielleicht ist wirklich die Einrichtung “documenta” als eben größte und tollste Kunstausstellung das Problem. Denn wie soll man da halbwegs nachvollziehbar eine Auswahl treffen? Ich finde nur eben, die Auswahl, die getroffen wurde, wirkt bisweilen auch noch besonders seltsam, weil oft nur eine einfache Idee, wenig Konzept und eine genau so simple Umsetzung dahinter zu stecken scheint. Noch weniger Anspruch oder auch nur Aufwand als beim Oscar.

    @Rainer: Dann ist die Biennale halt eben der Kunst-Grand-Prix, haben die auch einen ist ja nur gerecht:)

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