Virtuelle Zauberwelt

Es war einmal ein verliebter Mann. Der wollte seiner Geliebten ein kleines, feines Geburtstagsgeschenk kaufen. Er war froh, eine gute Idee zu haben und hatte noch sooo viel Zeit… Er schaute mal hier, mal da, aber immer vergeblich: Es gab immer viel Schoenes, auch Aehnliches, aber nirgends genau das, was sich ihm in den Kopf gesetzt hatte. Der verliebte Mann war in der Welt weit und breit als ueber die Massen stur und unflexibel bekannt. Er schaute in den Spiegel und fragte, ob er einfach etwas Anderes schenken solle. Aber sein Spiegel sagte: >Gib nicht so schnell auf! Wenn Du weisst, WAS Du willst und WARUM Du es willst, wirst Du es schon!<

Der verliebte Mann suchte also weiter. Jetzt schaute er nicht nur mal hier, mal da, sondern fragte auch weise Ratgeber, warum das gesuchte Geschenk nirgends zu finden war, obwohl er doch ein genaues Bild davon hatte. Der dritte Ratgeber endlich wies des Raetsels Loesung: >Das, was Du suchst, gibt es nicht mehr. Nirgends auf dem ganzen, grossen Markt.< Der verliebte Mann war traurig und verzagt. Kein anderes Geschenk war so schoen, dass es ihm gefallen konnte. Er schaute wieder in den Spiegel und fragte, ob er sich von seinen alten Vorstellungen freimachen solle. Und wieder gab ihm der Spiegel eine Antwort: >Wenn Du das, was Du suchst, finden willst, musst Du neue Wege gehen!< Gerne und mutig wuerde der verliebte Mann neue Wege gehen – allein, er wusste nicht die Richtung und nicht die Ausruestung. Tag um Tag verging. Ein neuer Weg war nicht zu sehen und der Geburtstag rueckte immer naeher. Eines Abends jedoch, als es schon dunkel war, blitzte aus der Nacht eine Idee auf: Es gab doch die Kunde von einer fremden, virtuellen Zauberwelt, wo es alle moeglichen unendlich viele Dinge geben soll, die man nicht anfassen kann. Sie verwandeln sich aber in Wirklichkeit, wenn man die richtigen Schluessel kennt und benutzt.

Der verliebte Mann kannte in seiner Not jetzt kein Zoegern mehr. Er sprang sofort, ohne weiteres Nachdenken, ueber seinen ganz langen Schatten und war gespannt (und auch etwas aufgeregt und aengstlich und verwundert ueber sein ihm fremdes Verhalten), wo er landen wuerde. Er landete und tauchte in die fremde Welt ein; aber er stand vor verschlossenen Tueren mit schwer verstaendlichen Wegweisern in fremder Sprache. Aber schnell verstand er, dass bestimmte Schluessel gebraucht wurden, um die Tueren zu oeffnen. Die Schluessel hoerten auf seltsame Bezeichnungen wie >Benutzername< und >geheimes Kennwort<. Wohlgemut probierte der verliebte Mann verschiedene Schluessel aus: Beim ersten >Konstantin< blieb das Tor verschlossen. Beim zweiten, >Konstantine<, blieb es ebenfalls zu. Beim dritten >Konstantinopel< oeffnete sich das erste Schloss, aber ein zweites musste noch ueberwunden werden. Der verliebte Mann ueberlegte und ueberlegte, kombinierte und kombinierte. Und ploetzlich fand er den Schluessel, der die Tuer oeffnen konnte: >SOETKON<. Allein >SOETKON< vermochte dies; es war ganz einfach und plausibel. Eine wunderbare Kombination, erkannte er. Mit diesem Zauberwort ausgeruestet konnte der verliebte Mann endlich, beharrlich fast alles weiteren Schwierigkeiten Schritt fuer Schritt aus dem Weg raeumen – bis auf eine: Wie es naemlich der wundersamen virtuellen Zauberwelt eigen ist, dauerte die Verwandlung des endlich Gefundenen in die reale und anfassbare Form zu lang (vielleicht auch nur einen ganz kleinen Tag zu lang), um noch rechtzeitig zum Geburtstag eingepackt zu werden. Schon wollte der verliebte Mann hadern und enttaeuscht Traenen vergiessen, dass er so dumm gewesen war, den Schluessel nicht frueher zu finden. Aber siehe da: Er verstand ploetzlich, dass ihm die gefundene Kombination >SOETKON< selbst ein troestliches Geschenk sein koennte – und warum sollte es dies nicht ebenso fuer seine Geliebte sein? Mit diesem Gedanken verflog seine Truebsal und er wurde froh. Seither wartet er entspannt, wie auch gespannt auf den Tag, an dem die Fortsetzung des Wunders Wirklichkeit wird. Und wenn der verliebte Mann und die geliebte Frau bis dahin nicht gestorben sind, dann koennen sie sich noch einmal freuen.

2 Kommentare zu “Virtuelle Zauberwelt

  1. Eigentlich bin ich auf der Suche nach Deiner Mail- Adresse… und finde diese anrührende Geschichte. Ein schöner Tagesanfang.

  2. Hallo Konsti,
    hoffentlich bist du immer noch so schön verliebt in die Frau, für die du das wundersame Geschenk gesucht hast.
    Habe Deine Geschichte gefunden als ich Deinen Namen eingegeben hab. Vielleicht landet mein Gruß ja doch irgendwann bei Dir.
    Jedenfalls wünsche ich Dir ein wunderbares Jahr 2014 und grüße Dich ganz herzlich aus Oldenburg

    Bärbel

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