Teufelskreislauf der Isolation

Ich bin wissenschaftlicher Referent fuer die Politik Suedostasiens am Institut fuer Asienkunde in Hamburg. Nach meinem Studium und der Promotion an der Universitaet Muenster habe ich mich auf die politischen Systeme Suedostasiens spezialisiert. Ich habe am Institut fuer Politikwissenschaft der Universitaet Muenster und am Department of Development Studies des Indonesian Institute of Sciences [Lipi] in Jakarta zu Fragen der Demokratisierung, Dezentralisierung, des [politischen] Islam sowie der prekaeren Staatlichkeit geforscht. Nach einem Jahr als visiting lecturer an der University of Helsinki in Finnland habe ich im Herbst 2003 meine Arbeit als Referent fuer die Politik Suedostasiens am Institut fuer Asienkunde in Hamburg aufgenommen. Die Aufgabe des Instituts fuer Asienkunde ist die wissenschaftliche Erforschung und Beobachtung der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in Asien. Meine Aufgabe besteht hier in der Erforschung und wissenschaftlichen Analyse der Politik in den Laendern Myanmar, Thailand und Indonesien.

Seit einem Jahr beschaeftige ich mich in meiner Arbeit am Institut auch mit Myanmar. Dies gestaltet sich aufgrund der internationalen Sanktionierung und jahrelangen Selbstisolierung des Landes als relativ schwierig. Das Land hat sich in den ersten 30 Jahren nach seiner Unabhaengigkeit selbst isoliert und von der Aussenwelt abgeschottet. Bis 1988 wurde ein >birmanischer Weg zum Sozialismus< eingeschlagen, der nur wenige Kontakte nach Aussen ermoeglichte. Seit 1988 hat sich das Land langsam geoeffnet, seitdem finden auch verstaerkt Touristen ihren Weg nach Myanmar. Seit Beginn der 90er Jahre wurden jedoch auch eine Reihe von Sanktionen gegen das Militaerregime verhaengt, nachdem das Militaer die Demokratiebewegung 1988 niedergeschlagen und die freien Wahlen von 1990 nicht anerkannt hat. Insbesondere die Drangsalierung und haeufige Inhaftierung der Oppositionsfuehrerin und Friedensnobelpreistraegerin Aung San Suu Kyi hat dazu gefuehrt, dass das Land heute international weitgehend isoliert ist. Diese Entwicklungen bringen jedoch auch Probleme in der wissenschaftlichen Analyse mit sich. Die Datenlage ist sehr schlecht, auch in der deutschen Presse finden sich immer wieder Halbwahrheiten und Verzerrungen ueber die wirkliche Situation im Lande. Dies liegt daran, dass die Militaerregierung es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und versucht, ihr Regime nach Aussen zu legitimieren. Andererseits tragen aber auch die Meldungen und Verlautbarungen der Exilantengruppen und Oppositionellen im Ausland dazu bei, dass in der Oeffentlichkeit ein verzerrtes Bild von Myanmar kursiert. In Bezug auf meine Forschung ueber Myanmar habe ich im letzten Jahr die soziale Situation im Lande untersucht. Sowohl im Bildungsbereich als auch im Gesundheitssystem gestaltet sich die Situation als prekaer bis besorgniserregend. In diesem Jahr werde ich - auch im Rahmen einer am >Deutschen Ueberseeinstitut< eingerichteten Forschergruppe - die Frage des Staatszerfalls in Myanmar untersuchen. Seit der Unabhaengigkeit im Jahre 1948 ist der ausgesprochene Vielvoelkerstaat Birma mit Aufstandsbewegungen kommunistischer und ethnischer Rebellen konfrontiert. Zwar konnte die Militaerregierung seit Beginn der achtziger Jahre des 20. Jahrhunderts mit etwa 20 Rebellengruppen Waffenstillstandsabkommen schliessen und das Land dadurch befrieden. Dies hat allerdings auch dazu gefuehrt, dass zahlreiche Warlords eine betraechtliche Autonomie von der Zentralregierung besitzen und diese zu illegalen Aktivitaeten wie Drogenhandel usw. nutzen. Der Drogenhandel ist quasi institutionalisiert. Zwar versucht die Regierung heute, den Anbau von Opium in vielen Gebieten zu stoppen, dies bringt aber weitere Probleme mit sich, weil viele Bauern ueber keine alternativen Moeglichkeiten zum Anbau verfuegen. Im Zentrum meiner Forschung steht auch die Frage, wie die internationale Politik auf das >Problem Myanmar< angemessen reagieren sollte. Bislang versucht es die westliche Gemeinschaft mit Sanktionen. Angefuehrt wird die internationale Front von den USA, die im Sommer 2003 ein Importverbot fuer Waren aus Myanmar ausgesprochen und saemtliche Finanztransaktionen nach Myanmar untersagt haben. Auch die Europaeische Union hat ihre Sanktionspolitik in den vergangen Jahren verschaerft. Die Bundesrepublik Deutschland unterstuetzt die Sanktionspolitik im Rahmen des gemeinsamen EU-Standpunkts, der erstmals im Oktober 1996 beschlossen wurde. Bis zur Niederschlagung der Demokratiebewegung im Herbst 1988 waren die Beziehungen problemlos und relativ gut. Deutschland finanzierte zahlreiche Entwicklungsvorhaben und auch der Handel entwickelte sich positiv. Bis 1988 war die Bundesrepublik der wichtigste westliche Partner, was Wirtschaftsbeziehungen und Entwicklungshilfe betrifft. Bis zu diesem Zeitpunkt flossen etwa 1,25 Milliarden DM an Entwicklungsgeldern. Ein Beispiel fuer den florierenden Handel ist die Maschinenbaufirma Fritz Werner [heute Ferrostahl], die noch heute einen Repraesentanten in der Hauptstadt Yangon hat. Die Firma hofft noch auf Auftraege der myanmarischen Regierung, sie hat allerdings gegen die Vielzahl der chinesischen Wettbewerber keine Chance. Diese nutzen auch die politische Unterstuetzung ihrer Regierung, um Auftraege zu bekommen. Hier haette kein deutsches Unternehmen eine Chance. Ansonsten zeigt die deutsche Wirtschaft momentan ein eher geringes Engagement in Myanmar. Nach Angaben der deutschen Aussenhandelsstatistik beliefen sich 2003 die deutschen Exporte auf 19,46 Millionen Euro. Schwerpunkte der deutschen Einfuhren sind Textilien, Holz und Fischereiprodukte. Der Umfang der Direktinvestitionen ist gering. Die Ereignisse vom August 1988 und die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen des Militaerregimes beeintraechtigten die deutsch-myanmarischen Beziehungen erheblich. So verhaengte die Bundesregierung im Einklang mit der gemeinsamen EU-Position eine Reihe von Sanktionen gegen das Militaerregime. Dazu zaehlten das Einfrieren der Mittel fuer Projekte der Entwicklungszusammenarbeit, das Aussetzen des Schuldenerlasses, das Einfrieren der Auslandskonten der Entscheidungstraeger des Regimes, die Unterbindung hochrangiger Kontakte und das Verbot der Ausfuhr von Ruestungsguetern sowie die Verhaengung eines Visabanns gegen fuehrende Vertreter des Regimes und ihrer Familienangehoerigen. Es scheint sich langsam in der deutschen Politik die Erkenntnis durchzusetzen, dass Wirtschaftssanktionen nicht der richtige Umgang mit dem Militaerregime sind. Kleinere Projekte zur Verbesserung der humanitaeren Situation sollen ausgeweitet werden und auch ein Engagement der politischen Stiftungen wird mittlerweile diskutiert. Die Bundesregierung scheitert mit ihren weiter gehenden politischen Vorhaben an den europaeischen Partnern, die wiederum fuer eine Verschaerfung der Sanktionen eintreten. Die Sanktionspolitik ist meines Erachtens ein Fehler. Wenn Sanktionen Erfolg haben sollen, muss die Sanktionsfront einheitlich sein. Im Falle Myanmars wird aber die Sanktionspolitik durch wichtige und maechtige Akteure wie die Nachbarn China, Thailand und auch Indien unterlaufen, die alle Interessen an einer Wirtschaftsentwicklung des Landes haben. Schon jetzt zeigt sich beispielsweise die fortgesetzte wirtschaftliche Durchdringung Myanmars aus China. So hat die Zuwanderung aus der chinesischen Provinz Yuenan in die myanmarische Mandalay-Division in den letzten Jahren stark zugenommen. Alles in allem bringen die Sanktionen nichts, sondern fuehren nur zur weiteren Verarmung grosser Teile der Bevoelkerung. Die anderen Staaten Suedostasiens - allen voran Indonesien und Thailand - sind ein hervorragendes Beispiel dafuer, dass langfristiger wirtschaftlicher Wandel auch zu politischen Veraenderungen fuehrt. Beide Laender waren in den 1980er Jahren noch Militaerdiktaturen und sind heute die Vorreiter einer >demokratischen< Entwicklung in Suedostasien. Ein Teil der Sanktionen - ich spreche hier nicht von der Einfrierung der Konten und dem Besuchsverbot der Militaers - sollten aufgehoben werden. Meines Erachtens koennte beispielsweise die Entwicklungszusammenarbeit mit Myanmar wieder aufgenommen und auch internationale Kredite an das Land vergeben werden. Dies koennte in speziellen Sektoren oder humanitaeren Bereichen geschehen, um den Menschen des Landes zu helfen. Beispielsweise blieb im Jahr 2003 die Entwicklungszusammenarbeit auf Kleinstmassnahmen mit humanitaerer Wirkung in Hoehe von ca. 70.000 Euro beschraenkt. Hier koennte das Engagement noch weiter ausgeweitet werden.

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