Team Bullying

Tamsweg, 2046: Alice und Jana haben heute ein gemeinsames Unternehmen, das auch dem Tamsweger Bundesschulungszentrum in Sachen Corporate Style beratend zur Seite steht. Ab und zu unterrichten sie sogar zu zweit am BSZ, leiten dort Workshops und halten Vortraege. Obwohl es auch Reibungspunkte gab – zu Alices innerem Unfrieden war Jana z.B. immer fest davon ueberzeugt, dass sie die bessere Figur hat – sind sie noch immer ein schier unschlagbares Team.

Sie verstehen sich blind und sind auch ohne Absprache in der Lage situativ zu inszenieren. Am liebsten spielen sie >Good Cop/Bad Cop<. >Das war auch schon damals so<, erinnert sich Alice. >Ich habe mich innerlich zurueckgelehnt, zugehoert und verstaendnisvoll reagiert, waehrend Jana – ein bisschen ungeduldig – alles anzweifelte und kritisierte. Auf diese Weise haben wir immer so gut wie alles mit den Leuten anstellen koennen. Ach so, um nochmals auf die andere Frage zurueckzukommen: Nein, die Rollen waren nicht festgeschrieben. Wir wechselten uns ab, je nach Laune. Manchmal trieben wir es auch ein wenig zu weit.< Mit gewissem Abstand zu ihrer Jugend, spricht Jana heute von Opfern. Nach einem Beispiel gefragt, kommt sie auf eines dieser Simulationsspiele zu sprechen: >Es war unser favorisiertes Beschaeftigungsprogramm und forderte auch unsere LehrerInnen, sich immer wieder etwas Neues einfallen zu lassen. Einmal hiess es: >Stellt Euch vor, Ihr seid Geschaeftsfuehrer eines Unternehmens. In Eurer Verantwortung liegt es, Strategien zu entwickeln, und Eure Ideen mit einem engagierten Fuehrungsteam umzusetzen.< Es war vorgesehen, dass wir vor diesem Hintergrund drei Monate lang ueber einen digitalen Marktplatz gegen vier weitere fiktive Unternehmen antreten. Uns war gleich klar, dass wir eine Firma an der Schnittstelle von Design, Mode und Consulting machen wuerden. Als Mitstreiter in diesem Projekt bot sich Ulrich an. Er hatte ein Faible fuer Mode und Design, obwohl er nicht sonderlich stilsicher war. Seine Begeisterung fuer Lacoste war uns damals ziemlich fremd.< Schon beim vorbereitenden Brainstorming wollen Jana und Alice Ulrich mit ihrem angelesenen Wissen ueber Branding und Corporate Culture in seine Schranken verwiesen haben. Schnell kristallisierte sich heraus, dass sie die beiden Chefs ihres fiktiven Unternehmens mimen wuerden und er das engagierte Fuehrungsteam. Ulrich sollte mal so richtig rangenommen werden. Er sollte zeigen, was er wirklich drauf hat. Im Grunde gefiel es Jana und Alice deshalb, weil er gleich mehrere Mitarbeiter gleichzeitig zu simulieren hatte. Ulrich sollte im wahrsten Sinne des Wortes flexibel werden. Doch dem nicht genug. Ihr Plan war ein wenig finster. Aber irgendwie auch ziemlich genial. Sie wollten den korporativen Style-Guide fuer eine IT-Firma entwerfen. Vom Briefbogen bis hin zur Socke. Im Zentrum stand die Idee, alles leicht zu verdrehen. Das Logo war eine sich spaltende, leicht kurvige Linie. Rot auf weiss. Als Amateur-Schneiderinnen hatten sie grossen Spass, die Kleidung zu entwerfen. Insbesondere die Hosen bereiteten ihnen ein grosses Vergnuegen. Vorgesehen war ein leicht erhaerteter Jeans-Stoff und eine verdrehte Seitennaht. Naechtelang sassen sie an der Naehmaschine, um den Hosen einen noch staerkeren Twist zu geben. Konnte man darin noch normal gehen? Klar, Ulrich durfte ihnen in der Entwurfsphase als Modell zur Verfuegung stehen. Ob er wollte oder nicht. Am Ende wollte er dann gar nichts mehr. Ihm war alles egal geworden. Jana und Alice hatten ihn mit ihren verdrehten Schnitten so dermassen in die Enge getrieben, dass die Last, die ohnehin durch das Multitasking auf seinen Schultern lastete, in ihm implodierte. Geriet er anfangs in ihren Hosenmodellen einfach auf Grund ihrer Schraegheit unter latenten Stress, so passte er am Ende der Drei-Monatsfrist gar nicht mehr in sie hinein. Langsam begann er sich gewissermassen aufzuloesen. Sein Drang zu essen geriet ausser Kontrolle. Er nahm dramatisch zu und wurde fett. Unaufhaltsam. Bei der Abschlusspraesentation soll er dann krankheitsbedingt nicht mehr dabei gewesen sein. Alice und Jana liessen sich derweil mit ihren latent magersuechtigen Koerpern als Geschaeftsfuehrerinnen des fiktiven Unternehmens feiern...

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