Tanzender Protest

Aus meinem Zimmer hoerte ich schon beim Aufstehen die Musik vom Myfest. Wie jedes Jahr ging ich kurz danach durch die dichtgedraengten Strassen von Kreuzberg. In meinen Ohren die laute Musik, doch ich genoss es. Als es langsam dunkler wurde und ich die Sirenen hoerte, wusste ich – was am naechsten Tag in den Zeitungen stand: >Krawalle in Kreuzberg! Die Linksautonomen gingen mal wieder zu weit!<. Da ich mich lieber aus der Strassenschlacht raushielt, tanzte ich auf den Strassen Berlins aus dem ersten Mai heraus. Doch die Schlacht ging weiter. Auf dem Nachhauseweg, gegen zwei Uhr morgens, sah ich den Lausitzerplatz in Flammen stehen.

Die Sonne schien, als ich am naechsten Morgen mein verschlafenes Gesicht im Spiegel betrachtete. Auch wenn mir in diesem Moment alles weh tat, ging es mir gut. Noch immer fuehlte ich die Freiheit in mir, die ich beim Tanzen verspuerte. Doch musste ein Bekannter von mir zur gleichen Zeit die Gefangenschaft erleben. Er hatte in der Nacht zum ersten Mai einer Frau aufgeholfen, die kurz zuvor von der Polizei zusammengeschlagen wurde. Das wurde ihm zum Verhaengnis. Er wurde geschlagen, und wegen Gefangenenbefreiung sass er 30 Stunden im Knast.

Noch immer frag ich mich, wie so etwas sein kann. Woher kann ich nun wissen, was an diesem ersten Mai passiert ist? Die Polizei wird auf den Strassen als Aufpasser darstellt. Doch im Hinterhalt schlagen sie Menschen zusammen, die schon in Gefangenschaft sind. Die Spuren der letzten Nacht waren verwischt. Ein jeder muss selbst entscheiden, was er fuer wahr haelt und was nicht. Genauso wie er entscheiden muss, ob er die Mauern in Berlin im naechsten Jahr einreisst oder sie akzeptiert und aus einer revolutionaeren Grundstimmung den Tag feiert. Ich weiß, dass ich – wie jedes Jahr – am ersten Mai auf den Strassen in Berlin tanzen werde. [Anm. d. Red.: Die Verfasserin des Textes nimmt am CRASHKURS ONLINE-MEDIEN der Berliner Gazette teil.]

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