Suesses Warten

Am Sonntagmorgen klingelte mein Wecker um halb neun. Mein Plan war es, um halb 10 vor dem neuen Museum zu sein, damit ich unter den ersten Wartenden bin. Um neun trank ich dann Kaffee und zog mich an, nicht die Sonntagskleider, ich war viel zu muede nach der Party am Vorabend. Gegen dreiviertel zehn kam ich am Lustgarten an und musste als Erstes gleich die Warteschlange fotografieren. >Genauso lang wie am Freitag<, dachte ich mir noch und stand ploetzlich mittendrin.

Es kam mir vor, wie ein sehr langsamer Spaziergang, denn es ging tatsaechlich vorwaerts. Natuerlich nieselten die Wolken und der Wind zog scharf an meinem Kopf vorbei. Der Blick auf den Dom und das Alte Museum war vorher schon ein Erlebnis, aber wenn ich bedenke, dass ich 20 Minuten auf nichts anderes gestarrt habe, in Muedigkeit ertrunken, muessen diese Gebaeude eine Faszination ausloesen, und zwar bei allen Wartenden. Und so war es auch. Die nette Dame neben mir, gab sich als Deutsche mit langjaehriger Pariserfahrung zu erkennen und wir fingen Gespraeche an.

Ein Kunstkenner aus Charlottenburg klinkte sich noch mit ein, so vergingen weitere 20 Minuten, die ich genoss. Ich nenne sie Mimi und Karl. Karl war sehr aufgeregt, endlich in das geschichtstraechtige Monument einzutreten und nackte Waende zu bestaunen. Es entbehrt Ironie, weitere 20 Minuten genau darauf zu warten. Das Warten hat es mir angetan, besonders mit anderen zusammen, denn ich bin interessanten Menschen begegnet und wir mussten nicht gleich befreundet zu sein, um uns die Zeit zu vertreiben.

Wir Wartenden schlaengelten uns dann ueber die noch nicht fertig gestellten Hoefe und Innenhoefe, alles sehr professionell fuer unseren Ansturm gewappnet, denn auch Imbisse wurden angeboten an Staenden auf unserem Weg. Die Museumsinsel wirkt auf mich, wie aus einer frueheren Zeit ausgeschnitten und ich wuerde mich einer Zeitreise hingeben, diese Gebaeude sind ehrfuerchtig und lassen erahnen, mit wie viel Stolz Kunst gesammelt wurde und wird.

Die Praesentation von Kulturschaetzen in solchen Hallen beeindruckt mich jedes Mal. Das Foyer ersank in Geschaeftigkeit, Kinderwagen wurden verstaut, die Kinder hielten das Ganze bestimmt fuer eine Party, die Hinweisschilder zum Rundgang inspiziert und der Museumsguide ratsuchend belaestigt. Ich nahm mir vor, jedem Raum kurz Beachtung zu schenken, hier und da ein Foto zu machen und dann wieder zu verschwinden. Meine Jacke behielt ich sogar an, obwohl es gut geheizt war.

Die untere Etage hatte einen gewissen Reiz, durch die Saeulen und das Licht. Ueber die komplett neue Treppe ging’s dann nach oben. Das Gelaender hat mir besonders gut gefallen. Es hat aber in meinen Augen den Charme eines riesigen Betonspielzeugs, sehr kalt, wenn auch sandfarben, und war deplaziert. Die obere Etage war voller Ueberraschungen, der aegyptische Saal hatte eine geheimnisvolle Aura mit seinen blauen Decken und schoenen Wandfarben.

Ich mochte die neuen Raeume, die wie eine riesige Plattenwohnung daher kamen, nicht und wollte ueber die neu installierte Plattform im Lichthof fliehen, konnte aber nicht. Also schritt ich schnell durch diesen geometrischen Raum und war schon fast wieder draussen. Ein paar Fotos konnte ich schiessen. Die verschiedensten Mosaike im Boden durchzogen das ganze Museum und versuessten mir die Leere der Raeume.

Ein echter Hingucker sind die Schwellenmosaike und der Kuppelsaal. Natuerlich musste ich kurz vor dem Verlassen noch meine Meinung niederschreiben und einwerfen. Mimi und Karl traf ich nicht mehr, seit dem Eintritt hatten wir wohl unterschiedliche Geschwindigkeiten. Dafuer traf ich auf zwei bekannte Gesichter. Mein Fazit ist, dass Musik dem gesamten Event eine Krone aufgesetzt haette, denn manche Besucher wirkten aehnlich steif, als wuerden sie die Nofretete schon ganz aufmerksam untersuchen.

Ein insgesamt gelungenes Vorhaben Altes und Neues wuerdevoll, sowie respektvoll miteinander zu verbinden. Der richtige Platz, die richtige Zeit und das richtige Angebot, naemlich kostenlos, ist die Mischung fuer diesen Riesenhype um die Tage der offenen Tuer im Neuen Museum. Meiner Meinung nach ist ab Oktober ein Besuch absolut lohnenswert und wird sicher viele Touristen anziehen. Kulturbegeisterte werden ebenso belohnt und die Geschichtsfanatiker koennen sich Beweise ansehen. Super Idee, danke Berlin!

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