Suedafrikanisches Teflon

Straende, Buchten, Brandungen – alles aus dem Bilderbuch. Naturaufnahmen, wie man sie in einem Hotelzimmer, auf dem Flughafen oder im Kaufhaus zu sehen bekommt. Eher visuelles Natur-Implantat als authentische Dokumentation. Ja, die dargestellten Topoi muten kuenstlich, austauschbar und ahistorisch an.

Bilder, mit denen sich Suedafrika bei den World-Superstar-Wahlen praesentierte. Bilder, die nicht nur das Land, sondern auch ihren Kandidaten repraesentieren sollten: Heinz Winckler. In ihrer Glaette und austauschbaren Schoenheit, schienen diese Bilder naemlich genau das aus Suedafrikas Image zu tilgen, was auch Winckler zu den Akten gelegt hatte: seine allgegenwaertige Vergangenheit.

Da waere sein Weg an die Spitze. Ein muehsamer, steiniger Weg, auf dem er Biss beweisen musste. Und eine ganz besondere >mentale< Qualitaet: Ueber Leichen gehen zu koennen. Bei der landesinternen Qualifikation im Rahmen von >Idols South Africa< waere er naemlich fast ueber seinen eigenen Schatten gestolpert: Einen begnadeten, jungen Kuenstler namens Brandon October, der die Herzen des sued-afrikanischen Publikums im Sturm erobert hatte. Einen, sollte man hinzufuegen, farbigen Musiker, der wie durch Gottes Hand bei der Endausscheidung wider Erwarten auf dem zweiten Platz landete. Hinter Winckler. Das Land war aus dem Haeuschen. Die Massenmedien schuettelten den Kopf. BBC sprach von einem Skandal. Nun hat der blonde und blau-aeugige Suedafrikaner, der die Teflon-Werte des deutschen Superstars Alexander Klaw uebrigens noch uebertrifft, auch bei den World-Superstar-Wahlen nicht schlecht abgeschnitten. Er ist nach den Vertretern von Belgien, Norwegen und den USA mit 80 Punkten auf Platz vier gelandet. Hinter sich lassen konnte er u.a. die Repraesentanten von England, Kanada und den Niederlanden. Allesamt nationale Stellvertreter, die sich in ihrer Heimat in Sendungen wie >Nouvelle Star< ebenfalls durchsetzen mussten und sich somit ebenfalls durch eine ganz besondere Story auszeichnen. Und damit durch einen unverwechselbaren Ursprung. Dieser ist auf der blau leuchtenden World-Superstar-Weltkarte mit Flaggen markiert. Gleich auf den ersten Blick erinnert die Verbreitung des 2001 in England gestarteten TV-Showspektakels >Pop Idol< an die europaeische Expansion im Zuge des britischen >Empire-Buildings<: Neben den Laendern des Ursprungskontinents sind es grossenteils die ehemals als >weisse< Kolonien bekannten Kulturverwandten Europas, in denen die von Musikimpresario Simon Fuller erfundene Sendung gewinnbringend abgesetzt werden konnte. Wenn man Winckler heute sieht - ob nun in Videos oder auf den zahlreichen Fotos auf seiner stets aktuellen Website - muss man folglich nicht zuletzt an die europaeische Kolonialgeschichte denken. Wincklers Karriere bei >Idols South Africa< und sein Auftritt bei den World-Superstar-Wahlen draengen diese Assoziation genauso auf wie Geschichten, die ausserhalb des >Pop Idol< - Kosmos ihren Lauf nahmen. Beispielsweise Wincklers schlagzeilentraechtiges Engagement bei der Walt Disney-Verfilmung von Robert Lewis Stevensons >Treasure Island< - jener erzaehlerische Stoff, der in der Bluete des viktorianischen Zeitalters entstand und seine Leser von einem utopischen Ort traeumen liess. Einem Ort, der irgendwo da draussen war, auf den Weltmeeren. Wo die britischen Flotten um die historisch erste Herrschaft im Weltmassstab rangen. Wohin es Stevenson in seinen letzten Jahren sogar selbst verschlagen hatte und wo dem Schriftsteller zwischen 1888 und 1894 nichts versagt bleiben sollte: die angenehme Luft des suedwestlichen Pazifiks, exotische Fruechte und ein zaeher Eroberungskrieg. Stevensons Klassiker, der kurz vor dessen Ausreise nach Samoa veroeffentlicht wurde, kam nun in der Bearbeitung von Walt Disney bekanntlich als >Treasure Planet< in die Kinos: Als futuristische Version der Literaturvorlage, in der Jim Hawkins mit einem Skateboard so richtig abhebt und permanent im Sternenhimmel unterwegs ist - auf der Suche nach einem Schatz quer durch den Weltraum. Will sagen: Die Expansion hat ihre Grenzen noch laengst nicht erreicht. Sie geht auch in den menschenleeren Raeumen des Universums weiter. Ein Motiv der Ausdehnung, welches den gegenwaertigen Luftraum-Imperialismus der Grossmaechte reflektiert. Gleichzeitig aber auch eine Metapher ist auf die unendlichen Weiten jener Welt, die aus Zeichen zusammengesetzt ist. Dort hat die europaeische Expansion die medialen Oberflaechen als zu erobernde Kontinente fuer sich entdeckt und nimmt auf leisen Sohlen, sowie ohne Blut zu vergiessen ihren Lauf. Im Abspann des Disney-Trickfilms durfte Heinz Winckler ein Lied davon singen. Schliesslich hatte er soeben Brandon October vernichtend geschlagen.

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