Ein historischer Standortvorteil

Berlin ist nicht wie London, Madrid oder gar Paris. Berlin ist näher an der sogenannten Dritten Welt, stellt Berliner Gazette-Herausgeber Krystian Woznicki fest. Aber gleichzeitig habe man Tuchfühlung mit den Zentren des Wohlstands. Diesen historischen Standortvorteil gilt es zu nutzen.

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In Berlin hat man eine groessere Naehe zur so genannten Dritten Welt. Wir sassen in der Eisdiele >Kauf Dich gluecklich< und sprachen u.a. ueber die Existenzgrundlage hier in der Hauptstadt im Vergleich zu London, Madrid, etc. Hier koenne man ein Leben ohne grossen oekonomischen Druck leben – ein Luxus, den man in anderen europaeischen Grossstaedten nicht habe. Mittlerweile sei dies auch in Staedten wie Mexiko Stadt nicht mehr moeglich. Ueberall werde es enger, teurer, das soziale Gefaelle groesser. In Berlin sei der Abstand zu aermeren Staedten kleiner, dafuer spuere man aber auch den Abstand nach oben hin.

Komme Berlin in Folge dessen nicht automatisch ein Standortvorteil in den Globalisierungsdiskursen zu? Da, wo man nicht zuletzt nach gemeinsamen Horizonten auf der Suche ist. Da, wo eine wesentliche Frage lautet: Worauf koennen >wir< uns langfristig einigen, ohne die Unterschiede auszublenden? Zygmunt Baumann sagte dazu: >Allen gegenwaertigen und zukuenftigen Anstrengungen muss die Aussicht einer >globalen Gemeinschaft< als verbindlicher Horizont dienen, nach dem sich die Richtigkeit jedes einzelnen Schrittes bemisst.< Dabei duerfe das schwaechste Mitglied nicht unter den Tisch fallen, wie das in unserer Zeit selbstverstaendlich geworden ist. Immanuel Wallerstein meinte wiederum, der gemeinsame Horizont duerfe nicht mit dem seit Hunderten von Jahren propagierten Universalismus verwechselt werden.

Handele es sich schliesslich um einen Universalismus, der nicht nur von einer Elite des Weltsystems ersonnen wurde, sondern auch lediglich einer Elite zu Gute komme. Daher muesse ein >universeller Universalismus< entwickelt werden, der sich an den Belangen aller, insbesondere von der Wohlstandsblase Ausgeschlossener, orientiere. Berlin, dachte ich, ist ein guter Ort, um ueber solche Dinge nachzudenken und sie auf den Weg zu bringen. Hier, sagte ich, sei man naeher dran an der so genannten Dritten Welt, habe aber auch Tuchfuehlung mit den Zentren des Wohlstands. Gibt es hier nicht, fragte ich mich, unzaehlige Menschen, die in diesem Zwischenraum leben und die – unbedraengt genug von den Krisen der Zeit – ausreichend Luft haben, um sich aufzubaeumen? Fehlt ihnen der Zorn? Oder die Zeit?

Anm. d. Red.: Das Motiv oben basiert auf einem Foto von Annika Preuß.

Ein Kommentar zu “Ein historischer Standortvorteil

  1. Ist ja sehr interessant, mit wem Du Dich so in Cadés herumtreibst. Ausgerechnet im “Kauf Dich Glücklich”? Der Ort an sich hätte ja vielleicht auch einer kritischen Reflektion bedarft. Zumindest der Name.

    Was das Problem des Nicht Aufbäumens betrifft, so sehe ich da keinen Mangel an “Zorn und Zeit”, sondern ich glaube, dass die Menschen schlichtweg zu faul sind. Wir mögen hier in Berlin näher an der sog. Dritten Welt sein, aber wir sind auch am nächsten am deutschen Preussentum… da will man vor allem in Ruhe gelassen werden.

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