Soziale Suchmaschinen: Semantisches Web, die #Raute und der Dienst “Hashable”

Bald wird man sich nicht mehr entscheiden müssen, ob man über eine Suchmaschine oder über ein soziales Netzwerk das Internet betritt. Denn: Beide Dienste verschmelzen immer mehr miteinander. Nachdem Facebook die Suche in seinem System integriert hat, beginnen nun Suchmaschinen immer sozialer zu denken. Berliner Gazette-Gastredakteur Andi Weiland hat sich gefragt, wie das eigentlich funktioniert.

Das Netz soll denken! Seit langem träumen Entwickler und Anwender davon, dass das Internet Informationen nicht nur wiedergibt, sondern auch interpretiert und eigenständig Zusammenhänge herstellt. So wie das Menschen mit ihrer Kommunikation (vor allem durch Sprache) auch schaffen. Zwar wurden Internet und World Wide Web dazu erdacht, Rechner zu vernetzen und Informationen zu verteilen, anstatt sie nur zu speichern. Aber über diesen ersten Gedanken ist das WWW in seinem jetzigen Zustand schon weit hinaus.

Komplexe Algorithmen, Bewertungssysteme von Webseiten und fast einheitliche Programmiercodes haben das Web so weiterentwickelt, dass die gefragte Information schnell und überall zur Verfügung steht. Auf einer Party ist jedes Streitgespräch über einen bestimmten Sachverhalt schnell beendet: nach ein paar Klicks auf dem Smartphone weiß man zum Beispiel, auf welcher B-Seite Muse den Song “Popcorn” coverte. Das Suchergebnis ist meistens deshalb so schnell zur Hand, weil wir wissen, wo wir suchen sollen. Im Zweifelsfall bei Wikipedia.

“Essen” ist nicht gleich “Essen”

Probleme bekommen wir als InternetnutzerInnen dann, wenn wir komplexe Fragen haben. In diesem Moment muss das Internet selbst anfangen “zu denken”: um uns eine Antwort liefern zu können, muss es unsere Frage interpretieren. Allerdings gibt es dann nicht eine einzelne Antwort, sondern, sondern ellenlange Ergebnisseiten.

Zum Beispiel wenn wir fragen: “Welches Buch sollte ich unbedingt mal lesen?”. Im Rahmen der Idee des Semantischen Webs sollten diese Probleme behoben werden. Suchmaschinen, wie Wolfram Alpha hatten sich vorgenommen, dieses Dilemma zu beenden und mittels Datenbanken die eine Antwort auf eine Frage zu liefern. Das System stößt dabei jedoch schnell an seine Grenzen: Je höher der Interpretationsspielraum bei einer Frage ist, desto ungenauer werden die Antworten.

Der aktuelle Wechselkurs von einem Euro zum Dollar bietet daher nur ein Ergebnis, die Einschätzung der aktuellen politischen Lage im Nahen Osten liefert gleich mehrere Millionen. Wolfram Alpha offenbarte dabei das große Problem des Semantischen Webs: Das Web kann zwar Daten zuordnen, interpretiert sie aber je nach Programmierung. Ein Beispiel dafür: Das Wort “Essen” stellt viele Algorithmen vor eine große Herausforderung – ist nun die Stadt oder die Nahrungsaufnahme gemeint?

Wie der Hashtag bei Twitter funktioniert

Beim Weiterdenken des Semantischen Webs kann die Suchmaschine Google nicht der alleinige Maßstab sein. Vielmehr sollten sich Semantisches Web und Social Web einander annähern. Unter dem Schlagwort Social Semantic Web tun sie das bereits.

Ein Beispiel: Die Nutzer von Twitter versuchen ihre Kommunikation an den vorgegebenen Rahmen anzupassen. Um über ein gleiches Thema zu reden, wird ein #Hashtag verwendet. Das Thema wird damit “indexiert“ (= tagging) und andere Interessenten können Beiträge zu diesem bestimmten Thema schneller finden. Auf der Seite von Twitter kann man dann sehen welche Themen (Trending Topics) gerade besonders interessant sind.

Der Dienst Hashable will diese Art des Tagging nutzen, um ein “Soziales PageRank” zu erstellen. In dem wir unsere Aktivitäten (ob nun auf Facebook, Twitter oder in anderen sozialen Netzwerken) mit einer # versehen, soll der Algorithmus diese besser zuordnen. Auf die Frage “Wer geht mit mir heute #tanzen?“ könnte eine eindeutigere Antwort gegeben werden.

In erster Linie will Hashable Leute vernetzen, in dem Personen und Aktivitäten verbunden werden. Aber auf lange Sicht könnte das aktive Nutzen des Hashtags und des @-Zeichens (um Personen zuzuordnen) dazu führen, dass Suchen im Web dem Suchen im Real Life näher kommen.

Die Raute im Alltag gebrauchen

Ein Beispiel: “@andi geht in Essen mit @thomas eine Currywurst #essen”. Anhand dieses Satzes könnten Suchmaschinen besser verstehen, was wir gerade machen. Zusammen mit anderen Vernetzungen würde bei einer späteren Suche nach einer guten Currywurst in der Nähe keine 260.000 Ergebnisse mehr erscheinen, sondern vielleicht 10.

Um diese Form der Suche tatsächlich in den Alltag zu integrieren, müsste die Raute zu einem festen Bestandteil unserer Kommunikation werden. Neben der klassischen Interpunktion würde ein weiteres Zeichen in unseren aktiven schriftlichen Wort- und Zeichenschatz aufgenommen werden.

Ich sehe jetzt schon die Hüter der Deutschen Sprache aufschreien, Kultursendungen, die die Apokalypse vorhersehen und Großdemonstrationen vor der Duden-Zentrale, aber was das @ geschafft hat, könnte auch die # schaffen.

17 Kommentare zu “Soziale Suchmaschinen: Semantisches Web, die #Raute und der Dienst “Hashable”

  1. Oho, danke für diesen Einblick. Ich hab mich das vorher nie wirklich gefragt, wie Suchmaschinen funktionieren. Ich kann nicht ganz verstehen, wie das #Zeichen, die Suchfunktion einfacher machen soll. Wie genau würde das denn technisch gehen?

  2. Wie genau die # Raute verwendet werden soll, das würde sich dann ja über die Vereinbarungen regeln. Beispielsweise benutzen wir ja auch ein ? und wissen dadurch, dass wir etwas fragen.
    Wir wollen über das Netz miteinander auch asynchron kommunizieren und dabei könnten uns Suchmaschinen helfen, wenn sie wüssten von was wir reden/schreiben.
    Eine # könnte zum Beispiel das Thema einer Aussagen für Suchmaschinen verständlich machen. Es wäre doch ein Unterschied ob wir schreiben: “wir gehen #essen” oder “wir #gehen durch Essen” aber den müssen Maschinen erstmal erkennen.

  3. Suchmaschinen sind ja sowieso eine Wissenschaft für sich. Ich weiß noch wie unser Informatiklehrer uns die Bedienung von Google in der 7. Klasse näher bringen wollte. Mit dem # könnte das vielleicht einfacher werden.

  4. absolutes Neuland für mich. Hmm, wie ernst muss man das alles nehmen? Ich meine, ich frage jetzt schon, ob ich ernsthat bei einem sozialen Netzwerk dabei sein muss, wie mir manche Freunde sagen, weil ich sonst gar nicht richtig “existiere”, jetzt gibt es diese Weiterentwicklungen. Hinke ich 10 Schritte hinterher, oder ist das alles eher so: ein paar Leute werden das machen, aber die Mehrheit betrifft das nicht.

  5. alles wird sozial!

    das ist mir erst neulich aufgefallen, als ich über den begriff “social reading” gestolpert bin.

    ich glaube, wir dürfen in diesem zusammenhang eines nicht vergessen:

    das internet ist schon immer sozial gewesen.

    und auch bevor es das internet gab, war die gesellschaft schon immer sozial.

    es geht also einerseits um:

    sozial auf welche art?

    sozial zu welchen spielreglen? bedingungen?

    sozial in wessen interesse?

    man sollte deshalb auch mitbedenken:

    “social” ist ein businessmodel.

  6. Genau – statt an der Suchmaschine zu basteln, muss der Suchende optimiert werden bzw. sich eine neue Suchstrategie überlegen. Da ist die # ein guter Ansatz.

  7. Danke für die Zusammenfassung. Dennoch ein paar kritische Fragen/Anmerkungen zur eher technik-positivistische Grundstimmung des Artikels:

    1. Das Hashmark ist nicht neu

    Das Hashmark überträgt letztlich nur die Taxonomie auf semantischer Ebene auf kurze Textzeilen. Diese einzuordnen ist ob ihrer Länge keine große Herausforderung. Es ist also konsequent, aber weder neue Erfindung noch ideengeschichtliche Errungenschaft.

    2. Semantik

    Auch das Hashmark vermag nicht, zwischen “Essen” und “Essen” zu unterschieden. Es ist sogar ein völlig anderer Ansatz, als eine tatsächlich semantische Auszeichnungssprache, wie sie initial für Entwürfe eines “semantic web” geplant waren (Ontologien wie RDF).

    3. Ist es zeitgemäß?

    Die Hochzeit des Tagging mit seinen Wolken und Diagrammen scheint bereits vorüber. Auch ist unklar, ob das manuelle Markieren von Nachrichten wirklich ein technischer Fortschritt und nicht Rückschritt in die zwangsweise Einordnung des Nutzers als Bibliothekar ist. Schließlich verlangt es neben dem Senden der Nachricht zugleich auch das Senden eines Metatextes ab, der weder hübsch noch zuverlässig ist, da bereits das Vergessen eines Bytes die Nachricht in digitaler Verschwiegenheit bedeutet.

    4. Braucht man das Hashmark überhaupt?

    Gerade bei Twitter stellt sich immer wieder die Frage, welchen Sinn das Hashmark eigentlich hat: Die Nachrichten sind kurz und der viel konsequentere Ansatz wäre es, jedes Wort als Index zu verwenden. Viele Hashmark-Aggregatoren und auch Twitter selbst indizieren bereits auch Worte, die ohne das Symbol beginnen. Schließlich muss das Wort “Ägypten” nicht unbedingt markiert werden, um durch Wiederholung an algorithmischer Bedeutung zu gewinnen.

    Grüße,

    ccm.

  8. man müsste in der Tat einige geistige Verrenkungen anstellen um die zunehmende soziale Vernetzung im Internet mit dem Faschismus in Zusammenhang zu bringen – eigentlich ist der Prozess der globalen Vernetzung (momentan noch) geradezu antifa…schistisch in seiner Wirksamkeit.

    Es geht nur mir persönlich so, dass ich nach diesem Sketch dort jedesmal lachen muss, wenn die Raute-Taste “#” irgendwo Erwähnung findet… und durch Twitter wird sie ja momentan ziemlich populär… es gibt also viel zu lachen für mich ;D

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