Soundscape Techniques

Die Stadt glitzerte so schoen. Merkte ich beim Landen mit der Tuerk Hava Yollari, unter ausgeflockten Wolken protzt vergilbte Mondscheibe. Die Internoise 2007 durfte ich in Istanbul besuchen auf Einladung einer Kollegin der technischen Akustik. Im Nippon Hotel uebernachtete ich, Flatscreens sind hier tatsaechlich Fenster zur Welt. Religiositaet ist eine stadtbildende Kraft [drei Tage vor dem Zafer Bayramı, Tag des Sieges ueber griechische und imperial-antidemokratische Besatzungsarmeen 1922, Sultanat am Ende, nationale Demokratie voraus, geflaggt bis in Cafés und Wohnblocks hinein].

Das asiatisch-brutalistische Tagungszentrum ICEC [das nur im Weltpidgin den istanbuler Buergermeister der 1930er/40er Jahre, Luetfi Kırdar, als Namensgeber da Modernisierungsheros, verloren hat] hat VISTA auf seinen stolzesten Rechnern, sonst schonmal 2000, und ist in einer quasi gated community gelegen zwischen Luxushotels, Banken, Militaermuseen und Stripbars, Taksim. Die uebliche Demuetigung ist der Weg dahin und darin darum auch fuer zu Fuss gehende Wesen unter zwei Meter Hoehe. Der Internoise teilt die Welt sich im Dreijahres-Rhythmus in eine >Asia-Pacific Region<, eine >Pan-American Region< und in eine >Europe-Africa Region<. Messtechnische und Schallschutz-Entwicklungen zeigen die Aussteller; mediokrer Ethnopop spielt vor der >General Assembly< und der >Opening Ceremony<, wenn man in der assembly line, jeder nur ein Kreuz, Arbeit macht frei, seinen namensbeschilderten Brustbeutel abgeholt hat. Gremien- und Weltkonferenzwelt. Viele Sessions, auch >distinguished< Keynote Lectures praegten Perfektionismusfreunde und atomistisches Denken der Techniker und Ingenieure der Vereinigung: auch soziale und anthropologische >Ereignisse< muessten doch regulier- und kalkulierbar sein. In gelingender und vollkommener Weise, fuer eine ruhigere und angenehmer klingende Welt.

Groesste Genauigkeit wurde auf Messungen gelegt; genuegten aber erkenntnistheoretische und anthropologische Voraussetzungen diesem Anspruch? Beim Lunch gegenueber einer randstad-Zeitarbeits-Filiale ass ich zwischen schmalzigen Operetten-, Musical- und Schlager-Arien, Je t’aime und kanadischer Mountainbike=Meisterschafts-Live-Berichtserstattung. Beeindruckend an den Bildern der Istanbul Modern wird AEsthetik im Sinne der Darstellung eines Bildes tatsaechlich als Herausforderung und Aufgabe der Schoenheit angenommen [nicht wie im deutschen Sprachraum der letzten Jahre als rueckwaertsgewandter oder ausdruecklich anti-medienkuenstlerischer, uebercleverer Kunstmarkt-Move].

Das Gespraech ueber Soundscapes wurde in Beitraegen, die ich hoerte aber auf begrifflichem und historischem Niveau kuenstlerischer Forschungen von Raymond Murray Schafer gefuehrt, der zwischen 1960er und 1980er Jahren bedeutsame Fortschritte zwar bewirkte. Die Welt der Geraeusche und der Klaenge hat sich aber weitergedreht, eine ganz andere kulturelle und mediale Mischung und Lebensweise mit Klaengen umgibt uns nun: Im Klangdenken Schafers konnten Digitalisierungs- und Amplifizierungsraeusche der letzten Dekade weltweit sich nicht niedergeschlagen haben.

Erfreulicherweise soll zu den acht bisherigen >Technical Study Groups< [seit 1972] der veranstaltenden I-INCE sich nun auch eine neunte hinzugesellen: >Soundscape Techniques<: Wie Klaenge einer Umgebung zu bewerten und nach welchen Massstaeben sie zu gestalten waeren. Ob wohl das immer noch allzu ahistorische und akulturelle Denken des Technischen sich Unwaegbarkeiten des Anthropologischen wuerde annaehern koennen? Cihangir, weiter gentrifiziertes Stadtviertel wie Condesa, das Schanzenviertel, mein Friedrichshain. Das Bild Mustafa Kemal Atatuerks neben der tuerkischen Flagge rechts oder links oben auf allen Fernsehkanaelen. CNNTURK. Musste eine >Weltweite Annaeherung an die Beherrschung des Laerms<, uebersetzter Tagungstitel, etwa das Ziel sein? Die Leiterin der Soundscape Techniques sprach mich auf Arbeiten eines unserer Studierenden an, Yukio Van Maren King. Urban Resonance, Berlincast. Gate 301 am İstanbul Uluslararası Atatuerk Havalimanı. Wie wir uns in unaufhoerliche Sicherheitskontrollen eingewoehnt hatten – inklusive halboeffentlicher Teilentkleidungen. Das Minarett des Fernsehturms vom Alexanderplatz.

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