SMS-Tagebuch: Umherschweifen in Jakarta

Anlaesslich der Ausstellung “Quobo – Kunst in Berlin 1989 -1999” reisten die Berliner Medienkuenstler Nina Fischer und Maroan el Sani nach Jakarta und fuehrten ein SMS-Tagebuch. Wir buendeln hier ihre Eindruecke als Protokoll.

6.10.: Hotel Treva, in Menteng, neunter Stock, Blick auf das Nationaldenkmal Monas. Unten liegt ein labyrinthisches Stadtviertel. Gassen, spielende Kinder, Handwagen, Vogelkaefige. Im Hintergrund Hochhaeuser. 13 Millionen Stadt. Durch die Scheibe hoert man den Muezzin sein Lied ueber Lautsprecher schmettern. >>Die Situationisten drifteten monatelang durch die Stadt um sich in ihrem eigenen Viertel wie im Ausland zu fuehlen. Ihr Weg war gesaeumt von billigen Coffeeshops, sie schliefen, wo es gerade ging und genossen den Zustand, sich deplaziert zu fuehlen.<< [Zitat] Frau Bumke holt uns zu einer Stadtrundfahrt im Goethebus ab. Endlose Autobahnkilometer, Shoppingmallkolosse planlos zwischen Huettensiedlungen.

8.10.: Jakarta Post unter der Zimmertuer: >U.S. strikes Afghanistan< Foto: Japaner in Tokio auf einer kleinen Antikriegsdemo. Bildunterschrift: >Say no to war.< Im Goethe Bus zu Ruangrupa (artistspace) in Tebet. 1. Workshoptag: Theorie des Dérive von Guy Debord. Stadtplan wird ausgebreitet. Einige Viertel, wie das vor unserem Hotel, sind gar nicht verzeichnet. 9.10.: Jakarta Post: >>Republic Indonesia expresses concern, urges U.S: to limit strikes.<< Foto: Polizisten bewachen US-Botschaft. >Extra Protection.< Britischer Botschafter empfiehlt den 4000 Briten in Indonesien, ihre Haeuser nicht zu verlassen. Am Fruehstuecksbuffet nettes Laecheln: your omelett, miss! 1. Zielloses Umherschweifen in Tebet: Wir kommen uns wie Touris vor. >>Nicht jede Art von Ereignis ist akzeptabel, Tourismus zum Beispiel, mit seinem krassen Hunger auf hypersichtbare Attraktionen, ist widerlich.<< (aus: The Situationist City) Anruf von Goethe: Geht´s euch gut da draussen oder wollt Ihr abreisen? Die Indonesier kamen sich auch wie Touris vor. Abends mit den ruangrupas vorm >TIM< Bier + Nasi Goreng in Strassenkuechen. 10.10.: >Expats return to work amid anti US rallies.< Bild: Knieende muslimische Demonstranten vor US-Botschaft. >Protest and Prayers.< Im Goethebus schweben wir wieder klimatisiert vorbei an allem was klasse aussieht. >Drifting is a revolution of every day life.< 11.10.: Drifts in fuenf Stadtvierteln. Jede Gruppe dreht kurzen Film. Mit Hafiz, Adid und Tessa im Stau auf der Autobahn zum Funpark Dunfo. Holzgeschnitzte Jesusbuesten werden verkauft, Mitglieder der Laksar Jihad verteilen Flugblaetter, um Kaempfer fuer den heiligen Krieg zu werben. Dazwischen Typen mit lustigen Strumpfpuppen. Im Bajaj-Taxi nach Menteng, Senayan und Blok M, einem 80er-Jahre Shoppingcenter. David, Hardy und Keke drehen dort in einer leerstehenden Rollerdisco. Vorm Eingang werden Bin Laden T-shirts verkauft. Bin Laden fuenf Mal vor brennendem WTC. Bin Bestseller vor Che. 12.10.: >Leaders told to meet pacify demonstrators.< Bild: Haessliche Touris in Shorts, die vor Soldaten der US-Botschaft flanieren. >Walk on the wild side.< Heute Filmschnitt. Praesentation im Museum Nasional kommt gut an. Danach sitzen wir alle vor dem >TIM< auf einer Mauer, rauchen Kreteks, trinken Ankerbier aus Glaskruegen. Nebenan musiziert eine islamische Maenner-Gruppe, Jungs in weissen Gewaendern tanzen dazu . Eine Mischung aus >traditionell< und Streetdance. David spielt Fussball mit ein paar kleinen Jungs. Our perfect hang out.

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