Airbnb, ein Gemeinschaftsgarten? Warum Silicon Valley und Massenmedien “Sharing” nicht verstehen

Die “Sharing Economy” ist in aller Munde. Und wie so häufig bei Hypes, häufen sich die Missverständnisse. Denn was Silicon Valley und Massenmedien aus “Sharing” machen, hat wenig zu tun mit der weltweit verstreuten Graswurzel-Bewegung. Diese ist trotz der Vereinnahmung durch den Mainstream noch immer lebendig – den Geist der Commons atmend. Die Aktivistin und Journalistin Brigitte Kratzwald kommentiert.

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Die Idee der Commons – dass Menschen ihre Bedürfnisse selbstorganisiert jenseits des Marktes befriedigen – erlebte in den letzten Jahren, wohl auch auf Grund der vielen Krisen, denen sich unsere Gesellschaften gegenübersehen, ein Revival. In jüngster Zeit wird dieser Begriff allerdings vermehrt von “Sharing Economy” oder “Shareconomy” abgelöst, die wohl mehr „Sexappeal“ haben. Warum das ein Problem ist, kann man in diesem Artikel über Airbnb im Standard nachlesen.

705 der 2900 der über diese Plattform in Wien angebotenen Wohnungen stammen von nur 74 Anbietern, die zwischen 5 und 49(!) Wohnungen im Angebot haben. Mit „sharing” hat das wenig zu tun, sondern das ist ein lukratives neues Geschäftsmodell. Dagegen ist nichts einzuwenden, der Kapitalismus hat sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert, neuen technischen Entwicklungen und sich ändernden gesellschaftlichen und individuellen Bedürfnissen angepasst und gerade in wirtschaftliche schwierigen Zeiten ist es auch legitim, dass Menschen versuchen, sich neue Geldquellen zu erschließen.

Massenmedien verwenden den Sharing-Begriff falsch

Problematisch ist jedoch, dass in den Medien unter dem Sharing-Begriff vieles vermischt wird, was unterschiedlicher nicht sein könnte. Repaircafés und Gemeinschaftsgärten, Tauschkreise und Alternativwährungen und eben ganz normale Vermietungsangebote wie Uber oder Airbnb. Diese beiden gerieten in letzter Zeit zu recht ins Kreuzfeuer der Kritik und waren auch von gesetzlichen Verboten betroffen. Sie versuchen ihren Profit an den für „echte” Unternehmen bindenden Gesetzen vorbei zu machen. Und sie bringen damit auch Projekte, Initiativen und Praktiken in Misskredit, die wirklich jenseits der Marktlogik stattfinden.

Diese Vermischung bringt zwei wesentliche Probleme mit sich: Erstens: Viele Menschen haben sich in den letzten Jahren erfolgreich darum bemüht, den Begriff Commons zu schärfen und die Unterschiede zwischen der Logik der Commons und des Marktes herauszuarbeiten und zu vermitteln.

Am Anfang der deutschsprachigen Commons-Diskussion stand tatsächlich auch der englische Begriff „sharing“, der mit dem deutschen Wort „teilen“ nur unzureichend übersetzt werden kann. Wenn ich etwas teile, habe ich nachher weniger, „sharing“ hingegen meint, Dinge, die man nur selten braucht, gemeinsam zu nutzen, so dass alle mehr haben. Die Bohrmaschine oder das Zelt brauche ich meist nur wenige Male im Jahr, die restliche Zeit liegen sie nutzlos herum und verstellen wertvollen Platz. Wenn mehrere Menschen sie nutzten, wäre allen geholfen, sogar der Umwelt, weil weniger Bohrmaschinen, Nähmaschinen, Rasenmäher oder Zelte produziert werden müssten. Das auch auf Autos oder ungenutzte Wohnungen anzuwenden, ist naheliegend und wurde ja auch schon immer praktiziert.

“Commoning” ist nicht gleich “Sharing”

Zudem ist aber „Commoning“ mehr als gemeinsam nutzen. Es geht vielmehr darum, das was wir zum Leben brauchen, gemeinsam zu produzieren, zu erhalten, zu pflegen und das eben nicht nach der Logik des Marktes. Wichtig sind die gemeinsame Verantwortung, die Möglichkeit, aller Betroffenen mitzubestimmen, die Möglichkeit der Bedürfnisbefriedigung ohne vorher ein Tauschmittel haben zu müssen und die Wertschätzung der Fähigkeiten aller Menschen. Ob etwas ein Commons ist, liegt nicht am Ding, sondern daran, wie Menschen damit umgehen, ob sie sich so organisieren, dass sie unabhängig von Markt und Staat bestimmte Bedürfnisse selbst gemeinsam befriedigen können. Commoning ist eine spezifische soziale Praxis, die sich ganz bewusst von der Marktlogik abgrenzt.

Um also die Bohrmaschine, das Zelt oder das Auto zu „Commons“ zu machen, ist es notwendig, dass die Menschen Regelungen erarbeiten, wie sie mit diesen Dingen umgehen wollen, wie sie das Risiko teilen, wer wann was nutzen darf, wer welche Aufgaben in Zusammenhang mit dieser gemeinsam genutzten Ressourcen übernehmen muss, usw. Dass man möglicherweise einen finanziellen Beitrag für Erhaltung oder Reparaturen leisten muss, kann auch Teil einer Commons-Regelung sein. Dieser müsste aber unabhängig sein von der Nutzung, damit niemand auf Grund fehlender finanzieller Mittel an der Befriedigung seiner Bedürfnisse gehindert wird.

Das sind wesentliche Unterschiede zur Plattformen wie Airbnb oder Uber, wo es keine gemeinsame Verantwortung und Entscheidungsfindung gibt, wo auch nicht die Frage gestellt wird, warum jemand eigentlich so viel Wohnraum hat, den er oder sie gar nicht nutzt, und wo dementsprechend die Möglichkeit zur Teilnahme davon abhängt, ob ich entweder eine Wohnung oder ein Auto zu vermieten habe oder Geld, um für deren Verwendung zu zahlen. Das aber ist Marktlogik, nicht Commonslogik. Genau dieses Unterscheidungsmerkmal geht also verloren, wenn unter dem Begriff Shareconomy all das in einen Topf geworfen wird.

Daraus ergibt sich das zweite Problem: Weil dieser Unterschied verschwindet kommt es dann dazu, dass alles über einen Kamm geschoren wird. Umgehen die profitorientierten unter den auf solchen Plattformen vertretenen Anbietern Gesetze, so fällt der Verdacht auf alle. Die für solche Fälle neu geschaffenen Gesetze oder Verordnungen, werden auch diejenigen betreffen, die tatsächlich Commoning betreiben und ihnen das Leben schwer machen.

Menschen unabhängiger vom Markt machen

Da geht es zum Beispiel um den Verdacht von Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung. Wenn Menschen sich gegenseitig dabei helfen, ihre Häuser zu renovieren ist das etwas anderes, als wenn ein Bauunternehmen Billigarbeitskräfte anstellt, ohne sie anzumelden. Zweiteres ist Schwarzarbeit, ersteres nicht. Wenn unbezahlte Arbeiten, die auf Gegenseitigkeit erfolgen, steuerpflichtig werden, hätten auch Einrichtungen wie das Rote Kreuz, Hospizdienste, Sportvereine oder Feuerwehren ein Problem, wo seit Jahrhunderten viele gesellschaftliche notwendige oder zumindest nützliche Arbeitsstunden ohne „Arbeitsverhältnis“ und ohne Steuern zu zahlen geleistet werden.

Immer schon wurde ein Großteil der Häuser im ländlichen Raum durch gegenseitige Hilfe gebaut, sonst gäbe es sie gar nicht. Erst indem solche Dinge der „Shareconomy“ einverleibt werden, laufen sie Gefahr, kriminalisiert zu werden. Auch wenn diese gegenseitige Unterstützung keine Steuereinnahmen bringt, schafft sie doch etwas für die Gesellschaft mindestens ebenso Wichtiges, nämlich „soziales Kapital“. Ein soziales Netzwerk, das auch zur Verfügung steht, wenn Finanz- und Wirtschaftskrisen zu Arbeitslosigkeit und öffentlichen Sparmaßnahmen führen. Solche sozialen Praktiken und Beziehungen machen Menschen unabhängiger vom Funktionieren des Marktsystems, das ist gerade ihre Stärke, die dadurch verloren geht, dass man versucht, sie nach gleichen Maßstäben zu messen, wie Unternehmen.

Ähnliches gilt für Kennzeichnungs- oder Hygienevorschriften, die – wiederum vollkommen zu recht – für große Lebensmittelkonzerne erlassen, dann aber auch auf kleine Direktvermarkter angewendet werden. Dort wären sie aber gar nicht notwendig, weil durch den direkten Kontakt zwischen ProduzentInnen und KonsumentInnen oder – wie bei solidarischer Landwirtschaft – sogar durch die gemeinsame Verantwortung beider, genau jenes Vertrauen entsteht, dass solche Regelungen überflüssig macht. Die hohen Aufwendungen, die für ihre Umsetzung notwendig sind, verhindern oft regionale Nahversorgung obwohl ProduzentInnen und KonsumentInnen sie wollen.

“Dem Markt wird Wohnraum entzogen”

Manchmal wird dann versucht, durch die Unterscheidung zwischen einer Non-Profit und eine For-Profit Sharing Economy diese Unterschiede wieder sichtbar zu machen. Dann stellt sich aber die Frage, wozu es überhaupt einen gemeinsamen Überbegriff für zwei in ihrer Zielsetzung konträre Dinge braucht und man sie nicht gleich richtig benennt: Commons und Wirtschaftsunternehmen, gerne auch mit einem neuen Wort, das deren Spezifika benennt. Dann heißen vielleicht solche Geschäftsmodell „Sharing economy“. Aber bitte dann die Dingen nicht darunter subsummieren, die der Commonslogik folgen.

Schmunzeln musste ich aber doch über die Schlagzeile in der Printausgabe des Standard: “Dem Markt wird dadurch Wohnraum entzogen”. Damit könnte ich leben, das wollen auch Commoners, etwa das Mietshäusersyndikat. Dabei handelt es sich um eine Organisation, deren explizites Ziel es ist, durch eine spezifische Rechtsform Wohnraum auf Dauer dem Markt zu entziehen, um ihn für selbstorganisierte Wohn- oder Arbeitsprojekte zur Verfügung zu stellen. Und wozu braucht ein Markt eigentlich Wohnraum?

Hier wird der Wohnraum allerdings dem Markt gar nicht entzogen, sondern es wird ein neuer Markt geschaffen. Tatsächlich ist das genau das Gegenteil von Commoning, weil es wieder eine Form ist, Dinge zu horten, die man gerade nicht braucht, um damit Geld zu verdienen, obwohl andere Menschen sie dringender brauchen würden. Der Wohnraum wird also jenen vorenthalten, die ihn brauchen würden um ihr Bedürfnis nach einem leistbaren Dach über dem Kopf zu befriedigen. Aber genau dieser Unterschied ist in der Kategorie der Sharing Economy nicht auszumachen.

Anm.d.Red.: Mehr zum Thema in unserem Jahresschwerpunkt UN|COMMONS. Die Fotos stammen von Leo Hidalgo und stehen unter einer Creative Commons Lizenz (cc by 2.0).

2 Kommentare zu “Airbnb, ein Gemeinschaftsgarten? Warum Silicon Valley und Massenmedien “Sharing” nicht verstehen

  1. La storia insegna in epoca medievale in europa e sopratutto in Italia in seguito alle gravi condizioni di vita sociale sono nati i monasteri le città di dio” ma con sorpresa molti dei componenti erano laici la “Shareconomy” le citta potrebbero essere degli splendidi monasteri sotto il profilo politico__________e tra le sorprese e le regole vigeva ” dove tutti lavorano”

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