Verwoben bis in die verdeckten Haarspitzen

Ein “Skandalbuch” sei das, ein “wahrer Aufschrei” – wenn solche Postulate durch Magazine und Rundfunkanstalten geistern, sollten die literaturkritischen Fuehler ausgestreckt werden. Mehrmals im Jahr wird einem ja irgendeine Publikation als “Skandalroman” verkauft, meist sind es dann Drogen- oder Sexgeschichten. Das neueste Buch aus dieser Sparte handelt von vier jungen Maedchen, die gern mit ihren Handys rumspielen, sich verlieben, das Herz brechen lassen und sehr viel heulen. Ziemlich unspektakulaer. Und der Skandal? Die Autorin: Eine Kopftuchtraegerin! Und noch dazu eine huebsche.

Dass >Die Girls von Riad< von Rajaa Alsanea in der arabischen Welt fuer Wellen der Entruestung und Begeisterung sorgt, ist verstaendlich. Noch nie hat eine junge Frau so unerschrocken das Wort ergriffen und ueber die Sorgen und Noete ihrer Generation derart unverbluemt Bericht erstattet. Dass das Buch im Westen nun auch als Skandalroman rezipiert wird, ist allerdings befremdlich. Vermeintlich aufgeklaerte Wesen sollten ueber Sachen wie Sex und Internet ja Bescheid wissen. Genauso befremdlich das Erstaunen, dass der Autorin entgegengebracht wird. Ist doch selbstverstaendlich, dass eine junge Frau die schreiben kann, zur Feder greift. Koennte man meinen.

Der exotische Blick, mit dem Alsanea betrachtet wird, verstellt die Sicht auf die Qualitaet ihres Romans. Ein intelligentes, bis in die verdeckten Haarspitzen verwobenes Buch ist das. Mit Verweisen auf arabische Liebesgedichte, europaeische Aphorismen und amerikanische Popsongs. Die Kapitel bestehen aus Emails, die von einer anonymen Autorin an saudische Leser verschickt werden – die Reaktionen der Adressaten schon vorwegnehmend. Die Sprache [der deutschen Uebersetzung] changiert zwischen Hochdeutsch, Umgangssprache und Englisch. >Die Girls von Riad< ist kein Skandalroman, sondern ein ernstzunehmendes Buch. Es zeigt, wie junge Menschen heute leben, in einer Welt, die vor Widerspruechen strotzt.

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