Plug in – Teil drei

>Geld hab ich nicht.< Er blickt zu ihr, unglaeubig, ungeduldig. >Geld hab ich nicht<, murmelt sie weiter und jetzt sieht er, dass sie weint, Traenenfaeden ueber ihre tief gefalteten Wangen, ihre Haende ineinander verschraenkt wie beim Beten. Unsicher sieht er sie an, atmet aus, die Kerze verlischt. Ein kleiner, heller Schrei entkommt ihr. Er tastet sich zur Wand. Von dort weiter in Richtung wo er den Gang glaubt, eine Hand an der Wand, die andere vor das Gesicht gestreckt. Etwas Weiches. Wieder ein kleiner Schrei. Ich habe der Frau ins Gesicht gelangt, erschrickt er. Grubenunglueck.

Die Tuere auf, die Treppenhausbeleuchtung an. Eine Taschenlampe, denkt er. – Zurueck huscht er durch die Wohnung wie ein Einbrecher. Er leuchtet in die Zimmerecken, wo ist die Frau? Das Wasser laeuft noch immer, dem Teppich entweichen unter seinen Schritten schmatzende Geraeusche. Sindbad, der Seefahrer. In der Kueche findet er sie. Sie sitzt im Eck am Boden und zittert. >Ich habe Licht<, sagt er, >kommen Sie, es ist nichts passiert.< Sie ruehrt sich nicht vom Fleck und er geht zurueck nach nebenan ans Fensterbrett. Der Schlauch fuehrt ihn die Wand entlang bis ins Bad. Dort, wo eine Waschmaschine Platz haette, ist er an einem Hahn befestigt. Zudrehen, denkt er und dreht bis zum Anschlag, falsch, dreht zurueck, zu ist Uhrzeigersinn, feste zu. Den Schlauch vom Wasserhahn schrauben, die Hand rutscht ab, Kratzer, mit dem Aermel geht es, Gartenschlauch, den nehme ich ihr weg, denkt er, nicht noch einmal, gehoert in die Wiese, nicht in die Wohnung. Draussen und drinnen, im Zelt im Garten uebernachten als Kind.

>Sie muessen jemanden kommen lassen<, beschwoert er die Frau in der Kueche, >das muss professionell trockengelegt werden.< >Gibt niemand<, sagt sie, >ja, waere mein Adam noch hier – koennen Sie nicht?< Der Boden voller Handtuecher. Der Teppich aufgerollt, aus dem Fenster gehievt, unten im Hof. Mein Ruecken. Schwer, verdammt. Schweres Wasser. Die Waesche waescht sie mit der Hand, aber fuer ihre Blumenstoecke braucht sie ein Bewaesserungssystem. Jungbrunnen, denkt er. Was fuer ein Besuch. Hebung der Bodenschaetze, Landgewinn, Ureinwohner, die Quellen des Nils. Ich bin zurueck, nicht verschollen. Die eigenen vier Waende. Im Fluss. Die Tropfen perlen noch immer von der Decke. >Ich gehe nicht aus der Wohnung<, hat sie gesagt, >ich wohne hier.< Die Traenen vergessen und wie eine Verschwoererin, >gell, das trocknet wieder, auch wenn wir es niemandem sagen.< Und haust bei Kerzenbeleuchtung, bei Gelegenheit drehe ich ihr mal neue Birnen in die Fassungen. Nicht, dass erst das Wasser, dann das Feuer ... Mein Ruecken. Der Teppich im Hof. Besser, ich trage ihn ihr morgen in den Keller, sonst kommt gleich wieder der Hausmeister. Geht ja keinen was an. Hoffentlich trocknet er ein bisschen, sonst ist er so schwer, aber das feuchte Wetter. Sitzt da oben bei Kerzenlicht und merkt nicht, dass alles zu schwimmen anfaengt. Alles begossen. Darauf einen Schnaps! Und dann wie ins Wasserbett, in die Arche. Ein kleiner Eingriff, hat der Arzt gesagt, und es gaebe da einige Formulare zu unterschreiben. Hinein damit und durchs Blut gepulst, die kleinen Helfer, die andocken und alles richten. Darauf einen Schnaps, der funktioniert aehnlich. Ueberschwemmen ins Bewaesserungssystem Blut, ins Bewaesserungssystem Urin. Ich gehe, ich stehe, ich setze mich hin. Noah, der Seegang! [Anm. d. Red.: Der Text ist ein Auszug aus einem Romanmanuskript und wurde in drei Teilen veroeffentlicht. Der erste Teil und zweite Teil sind bereits erschienen.]

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