Kino im Zeichen der offen-kollaborativen Programmierung ohne klassischen Urheber

Software, speziell Open Source, avanciert zum Modell für das große Ganze – auch für Kultur. Kunst, Literatur, Musik aber auch Kino stehen im Zeichen der offen-kollaborativen Programmierung ohne klassischen Urheber. Der Medientheoretiker und Berliner Gazette-Autor Florian Schneider atmet die frische Luft des Open Source Kinos.

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In Zeiten, in denen vermeintlich alles zu jedem beliebigen Zeitpunkt gesehen werden kann und deswegen kaum mehr wahr genommen wird, dürfte es umso wichtiger sein, Orte und Gelegenheiten zu erfinden, an denen das gesehen und besprochen werden kann, was auf den ersten Blick nicht oder nur sehr selten zu sehen ist und heute womöglich größere Bedeutung hat denn je.

Über fünf Wochen lang Filme von Daniele Huillet und Jean-Marie Straub in 35mm- bzw. 16mm Projektionen zu sehen, ist eine dieser immer seltener werdenden Gelegenheiten; gleichzeitig geht es in diesem Projekt vor allem darum, ausfindig zu machen, was die Brisanz der Filme der Straubs heute ausmacht – nicht zuletzt, weil es sich um ein äußerst seltenes Beispiel dafür handelt, was es bedeuten könnte, wenn Filmemacher die Rechte an ihren Filmen nicht oder nur zu geringen Teilen aus der Hand geben bzw. sich nicht dem Diktat der Unterhaltungsindustrie unterwerfen und von deren Konzernen enteignen und entmündigen lassen.

Die Arbeiten Straubs sind ein ausgezeichneter Beleg dafür, dass open source beileibe kein Produktions- und Distributionsmodell ist, das auf das sogenannte Digitale oder gar Immaterielle beschränkt gewesen ist und bleibt. Ihre Filme sind wunderbare Anregungen dafür, wie Vorlagen aus Literatur, Theater, Musik und Malerei so in ein neues Medium übersetzt werden können, dass etwas Neues entsteht, ohne originell sein zu wollen.

Angesichts der Orgien von permanenter, angeblich sozialer Kommunikation, Partizipation und “sharing”, die kaum mehr ihre tatsächliche Funktion als große Enteignungs- und Privatisierungsmaschinerie verhehlen, mögen die Filme der Straubs erst einmal wie ein Schock wirken. Wer aber einmal die frische Luft atmet, merkt rasch, “dass das aber gar nicht zu viel ist, sondern so sein sollte”, wie Daniele Huillet einmal gesagt hat.

Wer sich für das Projekt und die Initiativen, die in diesem Zusammenhang entstehen werden, interessiert, aber in den nächsten fünf Wochen nicht nach Antwerpen kommen kann, ist herzlich eingeladen, sich auf der Webseite zu registrieren, um so über Möglichkeiten auf dem Laufenden gehalten zu werden, aus der Ferne mitzuwirken.

Anm.d.Red.: Der Verfasser dieses Beitrags hat zusammen mit Annett Busch eine Austellung und einen Kino-Klub im Rahmen von extra city, Kunsthalle Antwerpen, kuratiert. Die Fotos im Text stammen von Mario Sixtus und stehen unter einer Creative Commons Lizenz.

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