News-Agenturen von Morgen: Tumblr, Google & Co.

In Deutschland haben Verlage soeben das Leistungsschutzrecht in Aussicht gestellt bekommen: Axel Springer & Co. sollen fortan Gebühren kassieren, wenn ihre Inhalte von Suchmaschinen und Aggregatoren im Internet bekannt gemacht werden. In Großbritannien und in den USA liegen andere Entwicklungen in der Luft: Was, wenn die IT-Netzwerke selbst Inhalte produzieren und die News-Agenturen von Morgen werden? Immerhin: Tumblr ist Meister im Verwalten von Userinhalten, Facebook bringt Menschen zusammen und Google macht Daten für alle zugänglich. Der Londoner Blogger und Berliner Gazette-Autor Joseph Stashko spürt das journalistische Potenzial.

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Die beliebte Blogger-Plattform Tumblr hat zwei Journalisten eingestellt. Sie kommen in Gestalt von Chris Mohney, dem vorsitzenden Vizepräsidenten für Inhalte bei BlackBook Media, und Jessica Bennett, einer Autorin von Newsweek und The Daily Beast.

Diese Entwicklung kommt zu einer Zeit des großen Ansturms auf Tumblr – der Dienst hat bald 100 Angestellte und erzielte kürzlich mehr als 15 Milliarden Pageviews pro Monat. Auch medial geht es hoch her: Über den Gründer David Karp erschien ein Porträt im Guardian und die Art der Datenverwaltung, die Tumblr vorlebt, hat Journalisten das vergangene halbe Jahr fasziniert.

Traditionell ist Tumblr ein beliebter Online-Treffpunkt für kreative Jugendliche. Journalisten haben den Weg dorthin erst relativ spät gefunden (Tumblr feiert dieses Jahr seinen 5. Geburtstag). Aber was bedeutet der Schritt, Redaktionsmitarbeiter einzustellen? Die New York Times schreibt: „Andrew McLaughlin, ein Vizepräsident von Tumblr, sagte, da Tumblr Geschichten über die User erzähle, wolle man ‘echten’ Journalismus und Analysen betreiben, und keine leichte P.R.-Kost produzieren’“.

Geschichten erzählen, statt sie nur abzubilden

Sieht man Tumblr als eine Stadt mit 42 Millionen Einwohnern, dann hat es eine Menge Vorteile, deren Geschichten zu erzählen, sowohl für die NutzerInnen als auch für die Werbekunden. Jessica Bennett versucht die Idee in einem Interview mit dem Reuters-Journalisten Anthony De Rosa anschaulich zu machen. Darin sagt Bennett über die geplante Strategie ihrer Redaktion bei Tumblr:

„Denken Sie an Trend-Stories. Die Demokratisierung von kreativen Prozessen. Denken Sie klein: Wer sind die jungen Tumblr-User in einem entlegenen Ort in der Ukraine und wie haben sie diese Plattform entdeckt? Denken Sie an das große Ganze: Wie verändern Soziale Medien die Art und Weise, wie wir interagieren und kommunizieren? Denken Sie an Daten: Was können uns Tumblr-User über die aktuellen Entwicklungen zur Präsidentenwahl sagen? Die Aufgabe ist groß und das Format wird über das geschriebene Wort hinausgehen.“

Wird 2012 also das Jahr werden, in dem Akteure wie Tumblr, Facebook und Google in den Content-Markt einsteigen?

Bei Facebook lautet die Antwort: vielleicht. Die Firma hat gerade Daniel Fletcher angeheuert, der 2009 sein Journalismus-Studium beendet hat und kurze Einsätze bei Time und Bloomberg hinter sich hat. Er wird bei Facebook Redaktionsleiter.

Einen Journalisten einzustellen ist für Facebook nichts Neues: Im vergangenen Jahr wurde der ehemalige Mashable-Angestellte Vadim Lavrusik als journalistischer Programmleiter engagiert. Seine Aufgabe besteht darin, dem weltweit größten sozialen Netzwerk ein neues Image zu verpassen: als Zuhause für Journalisten. Die aktuelle Ergänzung des Teams um Fletcher soll diesem Image eine Basis geben – ob nun das Verfassen eigener Inhalte oder das journalistische Aufpeppen der Firmenseiten.

Google bringt alles zusammen

Und was ist mit Google? Die Angestellten von Larry Page und Sergey Brin sind stets resolut und schmallippig, wenn es um die Frage nach einer zukünftigen Entwicklung eigener Inhalte bei Google geht. Doch lässt sich einiges daraus ableiten, wie die Firma ihre Ziele im Netz verändert. Eine von Googles Maximen lautet bekanntlich: „Wir organisieren die Inhalte der Welt und machen diese universell zugänglich und nutzbar“. In einfachen Worten: Die Suchleiste bei Google ist die Verbindung zu den Orten, die man im Netz schon immer besuchen wollte – schnell, effizient und akkurat.

Neuerdings scheint Google jedoch zu beabsichtigen, dass man sich länger auf dessen Diensten aufhält – und bringt jene zu diesem Zwecke allesamt zusammen. Das geschieht auf dreierlei Art. Logins und Business-Accounts werden eins, der eigene Email-Account bringt einen auch gleich zu den anderen Angeboten von Google. Die Suchfunktion wurde umgebaut, sie enthält nun auch Google+ und Suchanfragen können auch über Google+-Accounts gestartet werden (auf Facebook und Twitter ist das nicht möglich).

Zuletzt gab es eine Überarbeitung des Datenschutzes. Alle Google-Services (Picasa, Maps, YouTube, Gmail, etc.) sind verbunden. Es gibt lediglich eine übergeordnete Richtlinie, die für alle Services gilt. Google hat damit Zugriff auf eine Masse von verknüpften Daten, basierend auf dem eigenen Netzverhalten. Zeitungen träumen davon, so viel über ihre Nutzer zu wissen wie Google.

Google als neue Nachrichtenagentur?

Würde Google morgen eine Firma werden, die eigene Inhalte produziert, dann wären ihre Empfehlungen allen anderen Anbietern haushoch überlegen. Und ihre Möglichkeiten, den Nachrichtenfluss zu beeinflussen, wären beispiellos. Natürlich muss Google keinen Schritt in diese Richtung gehen, um weiterhin extrem erfolgreich zu bleiben. Aber die Idee von Google als Anbieter von eigenen Inhalten, statt als reine Plattform, ist leicht vorstellbar, vor allem, wenn man bedenkt, wie viele Verhaltensdaten Google in solch einen Service einspeisen könnte.

Schauen wir uns die journalistischen Trends und Schlagworte der letzten Jahre an: Tools wie Storify werden beliebt, Community Manager werden immer gefragter und Datenjournalismus ist ein aufblühender Zweig. Daran ist leicht zu erkennen, dass sie mit Tumblr, Facebook und Google verbunden sind. Tumblr geht auf in der Verwaltung von Inhalten, Facebook lebt von der Gemeinschaft, und Google liebt Daten.

Es sieht so aus, als würden alle drei Anbieter sehr gut in das aktuelle System des digitalen Journalismus hineinpassen. Ob es auch nur eine Nachrichtenagentur gibt, die sich darüber freut, bleibt fraglich.

Anm.d.Red: Mehr Informationen zu dem oben angesprochenen Leistungsschutzrecht finden sich bei IGEL,eine Presseschau zu den Reaktionen auf Einführung dieses Rechts finden sich in dem Blog Opalkatze. Die Grafik oben heißt Spinal Network, stammt von Anthony Mattox und steht unter einer Creative Commons Lizenz.

7 Kommentare zu “News-Agenturen von Morgen: Tumblr, Google & Co.

  1. es ist bitter, dass das Leistungsschutzrecht in Deutschland eingeführt wird. Die Medienlandschaft hierzulande wird im Zuge dessen noch weiter zurückgeworfen im internationalen Vergleich, aber scheint den Akteuren egal zu sein, denn sie wissen: in Deutschland haben wir uns eine Sprachinsel aufgebaut und sind relativ sicher gegen Konkurrenz abgedichtet. Ist das tragbar?

    Der Wahnsinn, der hierzulande herrscht, macht Stefan Niggemeier deutlich, wenn er sagt: Google und Co. zum Zahlen zu bringen durch das neue Recht, ist etwa so “als müssten die Gelben Seiten den Unternehmen dafür zahlen, dass sie ihre Informationen aufnehmen dürfen. Als müsste der Busfahrer dem Kirmesbetreiber Geld dafür geben, dass er die Kunden zu ihm bringt.”

    Wann werden die Leute hier endlich vernüftigt? Wann lernen sie endlich begreifen, was sich in der Welt verändert? Und wann werden sie anfangen, konstruktiv auf die Veränderungen zu reagieren?

  2. danke! bitte weiterhin dran bleiben an trends der future of news. lese ich immer wieder gerne hier!

  3. @#4: Deine Sensibilität für Sprache in allen Ehren ;) Aber worin liegt für Dich der fundamentale Unterschied zwischen unserer Formulierung und zB der hier “Die Verleger bekommen das ersehnte Leistungsschutzrecht”, die sich auf deinem Blog findet? Mal abgesehen davon, finde ich inhaltliche Einlassungen irgendwie spanndender als das hier, denn was wir da referieren ist klar, wie wir darauf reagieren, mit welchem Inhalt, das ist etwas anderes und eigentlich relevant und entsprechend Gegenstand eines Kommentars (deinerseits), oder?

  4. Auf meinem Blog bin ich polemisch, während du einer breiteren Öffentlichkeit suggerierst, das LSR sei bereits beschlossene Sache – dabei warten wir seit mittlerweile drei Jahren auf einen Entwurf, um die sachliche Debatte überhaupt angehen zu können.

    Dafür sind Blogs da, da benutze ich natürlich entsprechende Stilmittel. Mir liegt dieses ganze Gedöns wirklich am Herzen, abseits theoretischer Debatten, die – im Moment noch – im luftleeren Raum geführt werden.

    Davon abgesehen – das LSR wird nicht durchgehen. Da kommen andere Vorhaben, die gefährlicher sind. Die Frage ist, ob wir die Proteststimmung lange genug aufrecht erhalten können, oder ob irgendwann alle nur noch gelangweilt abwinken, weil ‘schon wieder’ eine neue Restriktion kommen soll.

  5. @#6: “versprochen”, “zugesprochen” und “gesetzlich” verankert. diese drei Schritte sehe ich in diesem Zusammenhang. Lange Zeit nur “versprochen”, jetzt “zugesprochen” und über des Inhalte des Gesetzes wird auf einer aktuelleren Basis als in den vergangenen Jahren durchaus diskutiert, wie auch immer schwammig diese neue Basis ist. Siehe dazu auch den Beitrag von Jakob Augstein im Freitag: http://www.freitag.de/politik/1210-das-internet-ist-zu-gro-artig-um-es-springer-und-co-zu-berlassen

    Polemik ist so eine Sache. Deine Headline wirkt auf mich keineswegs polemisch. Eher zynisch. Natürlich hat man in seinem Blog eine größere Nahrenfreiheit als ggf bei uns. Aber auch wir erlauben uns scharf zu formulieren. Es muss immer die Sache treffen. Deshalb habe ich mir nach Deiner Kritik den Satzbau nochmal genau angeguckt und nun steht da im Teaser nicht mehr “kassieren” sondern “sollen kassieren”.

    Die Berliner Gazette ist übrigens auch an dem Protest gegen das LSR beteiligt, siehe das Banner auf unserer Startseite.

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