Aus dem Tagebuch einer Zeit-Touristin

Bei meiner Reise nach Palanga war ein bisschen Schummelei im Spiel. Schummelei in dem Sinne, dass ich, anders als die anderen Teilnehmer, die zum Summercamp von >Transient Spaces – The Tourist Syndrome< gekommen waren, den Ort schon vorher kannte. Meine Eltern brachten mich als Kind her, vor 20 Jahren, und dann kam ich einige Male als Schuelerin. Zu dieser Zeit entdeckte ich mit meinen Freunden verschiedene Gesichter Palangas. Ich erinnere mich an das letzte Mal, als ich hier war: vor fuenf Jahren, es war Winter, kalt, dunkel und leer. Und wunderschoen, weil es ganz anders war, als das, was ich vorher gesehen hatte. Nun kam ich ins Summercamp, bereit eine Touristin zu spielen, aber vielmehr eine Zeit-Touristin als eine Touristin des Ortes.

Waehrend ich in der kleinen Stadt umherspazierte, war ich auf der Suche nach Spuren von Objekten, die nicht mehr existierten. Das rote Steinhaus an der Ecke Kestucio Strasse und Vytauto Strasse – jetzt leer und im Umbau begriffen. Frueher war es eine Telefonstation, wo meine Mutter eine Muenze kaufte und dann stundenlang anstand um nach Hause zu telefonieren, nach Vilnius. Viele Leute, die ihren Urlaub in Palanga verbrachten, gingen dorthin – zu Zeiten als es noch keine Mobiltelefonanbieter gab. Und dann die alte Apotheke in der Vytauto Strasse. Das Gebaeude steht noch immer da und die Apotheke laeuft.

Als Kind war ich immer begeistert von der Einrichtung darin, besonders von dem schoenen alten Kamin. Ich liebte es, wenn meine Mutter anstand um, was auch immer sie brauchte, in der Apotheke zu kaufen, weil ich diese Zeit nutzen wollte, um auf dem Stuhl neben dem Kamin zu sitzen. Nur wenn ich Glueck hatte natuerlich, offensichtlich zogen der Stuhl und der Kamin damals viele Kinder an. Der Kamin und der Stuhl – sie sind noch immer da, uebrig. Wenn auch nur als Ausstellungsstuecke: ein kleines Absperrungsseil bewahrt diese Objekte vor den neugierigen Besuchern. Alles wird frueher oder spaeter zu einem Museum. [Anm. d. Red.: Der Text ist waehrend des Transient Spaces Summercamps entstanden. Die Reihe wird in loser Folge in der Rubrik Reisen fortgesetzt.]

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