Montessori brennt: Wie ich eine Schule gründete, nichts draus wurde und was ich gelernt habe

Gesine Berendson lebt auf dem Land, hoch oben im Norden, nahe an der dänischen Grenze. Sie arbeitet als Pädagogin mit Jugendlichen zusammen und macht sich seit jeher viele Gedanken über das Lernen. In unserer Umfrage zum Thema BILDUNG spricht sie darüber, wie sie ihre Gedanken in die Tat umsetzen und eine eigene Schule gründen wollte. Das Projekt ist zwar gescheitert, aber der Lerneffekt war trotzdem groß.

Wenn ich viel Zeit hätte, würde ich auf meinem Saxophon gerne die Kunst der Improvisation lernen, weil es das Größte in der Musik ist und einer Komposition fast gleich kommt. Das zu lernen braucht viel Zeit, was für einen Amateur in meinem Alter zu aufwändig wäre, solange ich noch meinem Broterwerb nachgehen muss.

Lernen durch Begegnungen

Auch wenn ich im Moment keine Zeit habe, das Improvisieren zu lernen, bilde ich mich trotzdem ständig weiter. Ich lese Bücher, gehe regelmäßig zu Fortbildungen, mache Reisen um den Kollegen über die Schulter zu schauen, nehme Unterricht. Wenn es jedoch um digitale Medien und den Computer geht, lerne ich eher weniger.

Meine prägendsten Lernerfahrungen waren immer eher zwischenmenschlicher Natur. Ein älterer Herr hat mir zum Beispiel das Galoppieren auf einem Pferd gezeigt, dabei bekam ich Sucht auf Geschwindigkeit und interessierte mich später für andere schnelle Sportarten. Ein andermal hat ein befreundeter Jazz-Musiker mir in seinem Unterricht die Angst vor dem Auftritt genommen, weil er mir zeigte, wie man Fehler musikalisch vertuschen kann.

Innerhalb von Bildungsinstitutionen sollte es, wie im normalen Leben auch, trotz des Lernens in Gemeinschaft, ein individualisiertes Lernen geben, weil Lerntempo und die Art des Lernens bei Menschen sehr unterschiedlich verlaufen. Der Unterricht sollte offen und differenziert sein.

Der Lehrende sollte dabei eher ein Assistent sein. Neue Formen der Zusammenarbeit mit anderen Lernenden müssen trainiert werden, damit alle etwas davon haben. Ich wünsche mir eine Schule für alle, die sich dadurch auszeichnet, dass Schüler wieder Interesse am Lernen und Wissenserwerb haben und sich um ihr Lernen selbständig kümmern.

Welche neuen Schulfächer brauchen wir?

Es geht mir darum, dass Bildung und Wissen als etwas Substantielles gesehen werden, für dass es sich lohnt zu kämpfen. Dazu gehört auch Fleiß. Eingetrichtertes Wissen für die nächste Klausur, um es dann schnell abzulegen, schafft eine Nation von Sprücheklopfern, die wir als vermeintliche Fachleute in der letzten Finanzkrise erlebt haben.

An den Schulen werden heute einige Fächer vernachlässigt oder bedürfen zumindest einer Erneuerung. Für das soziale Miteinander halte ich das Fach Psychologie für sehr wichtig. Dann würde es mich freuen, wenn man das Fach Geschichte in einer Form vermitteln könnte, die es uns ermöglicht, unsere heutigen gesellschaftlichen Verhältnisse besser beurteilen und reflektieren zu können.

Außerdem würde ich Umwelterziehung unter naturwissenschaftlichen Gesichtspunkten einbringen, um den Umweltignoranten mit Sachinformationen und Argumenten begegnen zu können.

Gelerntes kann auch Genusserfahrungen vermitteln, Freude, ein Gefühl der Stärke und Sicherheit und mich mit Menschen, die das Gleiche gelernt haben, in Gemeinschaft bringen. Aus der Altersforschung wissen wir, dass bis zum letzten Tag gelernt werden kann, weil der Mensch grundsätzlich ein lernendes System ist.

Der Versuch eine eigene Schule zu gründen

Um meine Gedanken in die Tat umzusetzen, gründete ich in den Jahren 2005 bis 2008 mit zwei Freunden eine Montessori-Schule in unserer ländlichen Region. Wir hatten im Juni 2008 ein gutes Konzept, ein tolles Schulgebäude an der See, angemeldete Kinder sowie die Schulgenehmigung des Kultusministeriums Kiel und wollten im September starten. Leider wurde daraus nichts, weil unser Schulgebäude kurz vorher abbrannte. Einen zweiten Anlauf wollte ich nicht mehr auf mich nehmen.

Bedauerlich, weil die aufreibende Arbeit der Schulgründung umsonst war, könnte man sagen, jedoch habe ich auch aus diesem Unternehmen viel gelernt, weil wir uns in der Republik Schulen und Kollegen angeschaut haben, die Neues zustande brachten und Optimismus aufkommen ließen.

Meine Arbeit im Rahmen von ambulanter Jugendhilfe hat sich seit dem völlig verändert, also verbessert. Ich habe neue Kooperationsformen geübt, ihre Möglichkeiten und ihre Grenzen erfahren und mich selber besser kennengelernt. Menschliche Enttäuschungen sind mir nicht erspart geblieben, haben mich aber für neue Projekte nicht entmutigt.

Ein Kommentar zu “Montessori brennt: Wie ich eine Schule gründete, nichts draus wurde und was ich gelernt habe

  1. Krasse Geschichte! Man liest so und denkt an nichts Schlimmes und dann brennt die Schule ab, kurz bevor sie eröffnet werden soll. Voll wie ein Krimi!

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