Mollis, Pollis und Palituch

Wieso sind die ganzen Fotos von Traenengas und Wasserwerfern und Steinen in Autoscheiben und Molotovs auf Polizisten vom 1. Mai dieses Jahr an mir vorbei gegangen? Vielleicht, weil es mir oft ziemlich egal ist, was die machen, solange sie kein Pali-Tuch tragen. Ja, das ist eines der kleinen Vorurteile, das ich mir noch goenne. Denn es wird ja heutzutage immer schwieriger, sich in dieser Welt eindeutig an Oberflaechlichkeiten zu orientieren. Immer diese Dresscodes! Wenn man frueher jemanden mit Lonsdale-Kleidung gesehen hat, war klar: Idiot. Aber ist Lonsdale immer noch Nazi oder inzwischen offiziell zurueckerobert? Ich frage nur. Das letzte Memo dazu habe ich naemlich nicht bekommen.

Polizisten in Zivil jedenfalls durften nach einer neuen Verordnung die Marke nicht mehr tragen. Die wurde teilweise zurueckgezogen, Lonsdale geht wieder, Fred Perry auch. Thor Steinar bleibt verboten [ui, wirklich?], genauso wie, niedlicherweise, Klamotten mit A.C.A.B.-Aufschrift. Und was ist mit Pali? Vielleicht bin ich einfach nur aufmerksamer geworden, aber ich habe das Gefuehl: Es tragen immer mehr Leute Kefiyet. Eine richtige Pali-Pandemie. Gerne auch in gruen, pink und rot. Hergestellt aber in China, und nicht mehr wie frueher von Hand in Gaza, wo sich ein armer alter Opa damit sein klaeglich Brot verdient hat.

Manchmal habe ich Lust, jeden auf der Strasse mit Pali anzusprechen: Sag mal, warum traegst du das? Aber das waere doch zu aufwaendig, und es aendert ja auch nichts. Wenn man wenigstens was dabei lernen koennte! Einmal habe ich es doch gemacht. >Na ja, mir ist halt oft kalt und so, also ich trag das jetzt echt nicht, weil ich was gegen die Israeliten habe, wirklich.< Was soll ich sagen: Das habe ich ihr sogar geglaubt. [Anm. d. Red.: Der Verfasser des Textes nimmt am CRASHKURS ONLINE-MEDIEN der Berliner Gazette teil, schreibt fuer das Magazin Brennpunkt F und ist Mitbegruender des zukuenftigen Online-Magazins >Drifter<.]

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