Mit Karacho gegen die Wand

Unangenehme Situationen, in die das Leben mich schickt, empfehlen eventuell erhoehte Kompromissbereitschaft oder physisch schmerzhaften Handlungsbedarf; aber wenn mich mein Gedaechtnis nicht straft, hat Lesen wenn ueberhaupt dann nur scheinbar einen Zwangscharakter. Pflichtlektuere zum Studium? Aber dann waere das Lernen selber die zu nennende unangenehme Situation. Angestrengte Buchstabenschau zur konzentrierten Begegnungsvermeidung mit einem offensichtlich gespraechsinteressierten Fremden irgendwo zwischen Bushaltestelle und alleine in der Bar? Nein, kein Lesezwang.

Manchmal, wenn ich mich zum Schreiben hinsetze, warm, angenehm satt, koerperlich beduerfnislos und sogar die Stunden ganz zur eigenen Verfuegung, dann zwingt mich das Leben zur Lektuere. Weil das Lesen von der Einsamkeit ablenkt [sie sogar behebt] und das Schreiben meistens voll drauf haelt, immer mit Karacho gegen die Wand, die das eigene Denken ist. Manchmal ist das schwer auszuhalten. Im Lesen lauert nur das Schreiben anderer, was aber gegebenenfalls schlimm genug sein kann.

Lieblingssituation fuers Lesen: Auf Reisen. Im Zug, am Flughafen, in der Fremde. Mit reinem Gewissen gegen den penetrant preussischen Verpflichtungsjuckreiz. Letztes Leseerlebnis: Jim Dodges >Stone Junction< auf einem Neukoellner Sofa oder Hannah Arendts >Vita Activa< in einer aegyptischen Hotelbar. >England Away< von John King in der Berliner U-Bahn auf dem Weg zu einem harmlosen DFFB-Pokal-Fernsehabend mit Freunden. Gottfried Benns >Gehirne< in einer schlaflosen Nacht. Erlebnis deshalb, weil ich mich in den Traeumen der Anderen lebendig gefuehlt habe.

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