Lichter hinter Stacheldraht

Grosses Spektakel! Alle Mann hereinspaziert! Der alte Brauch wird nicht gebrochen: Hier koennen Familien Kaffee kochen! Doch das Tempelhofer Feld hat an diesem Abend zwei Klassen von Spektakelbesuchern zu Gast. Bei Schnittchen und gediegener Musik sitzen Menschen vor den Philharmonikern. Sie bekommen ein Spektakel ohne Sichthindernisse serviert. Den Lohn eines Arbeitstages haben sie ausgegeben. Tempelhof fuer gutes Geld. Der Rest steht auf der anderen Seiten des Stacheldrahts. Ernst Sagebiel, der Vater des heutigen Tempelhofs, diesem zweitgroessten Gebaeudekomplexes der Welt, plante einst Tribuenen.

Tribuenen auf dem riesigen Dach, damit 70.000 Besucher die Flugrennen der Messerschmitts und Heinkels besuchen koennten. Mit Ehrenplaetzen fuer Fuehrer, Goering und Co. Der Krieg kam dazwischen. Das Volk musste stehen. Zu Kaisers Zeit schaute die Masse, wie das preussische Heer paradierte. Zu Hitlers Zeiten, wie die Jaeger zum Ullstein-Haus rasten. Als der Ami da war, kamen die Massen zum Baseday und bestaunten atomare Zweitschlagkapazitaeten. Heute sind da bloss noch die Farben – von Musik und Knall begleitet. So sieht sie aus: die Friedensdividende der Berliner Republik. Fuer dreissig Euro.

Doch die Farben im Himmel sind erst einmal fuer alle da. Draussen, in der alten Einflugschneise von 27 links, draengen sich die Menschen; um einen Blick warmes Licht zu erhaschen. Ellenbogenstoesse, Gekeife und Flaschenbier. Ein Punk kotzt in die Buesche, ein Fotograf lobt das Farbenspiel, gelangweilt draengt ein Maedchen das andere zum Aufbruch. Die Kleinbuergerlichkeit steht hinterm Maschendrahtzaun, mit Campingstuhl und Aufziehkamera bewaffnet, von Zeit zu Zeit gestreift vom Suchscheinwerfer des Polizeiautos. Die Beamten bewachen jene, die sich den Eintritt leisten konnten.

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