Kulturaustausch im Praxisseminar

Ich bin 1976 in Koblenz am Rhein geboren worden. Zum Studium bin ich an die damals noch recht unbekannte Europa-Universitaet Viadrina nach Frankfurt an der Oder gegangen. Angezogen hat mich dort das interdisziplinaere geisteswissenschaftliche Studium der Kulturwissenschaften mit seiner internationalen Ausrichtung und einer deutlichen Fremdsprachenkomponente.

Nach meinem Studium habe ich am Suedosteuropaeischen Medienzentrum [SOEMZ] der Europa-Universitaet Viadrina in den Bereichen interkultureller Konfliktforschung und interkultureller Mediation gelehrt. Das Suedosteuropaeische Medienzentrum ist ein Kooperationsprojekt mit der Universitaet Sofia in Bulgarien, das von 2000 bis 2003 im Rahmen des NATO-Stabilitaetspakts fuer Suedosteuropa vom Auswaertigen Amt gefoerdert und in diesem Rahmen durch das ifa-Institut betreut wurde. Wir haben einen weiterbildenden Masterstudiengang >Medien und interkulturelle Kommunikation< angeboten, der sich an Medienschaffende in den Laendern Suedosteuropas richtet. Davon ausgehend, dass Medienkommunikation einen wesentlichen Einfluss auf interkulturelle Beziehungen ausuebt und die Art und Weise beeinflusst, wie auch Individuen im Alltag in interkulturellen Kontaktsituationen miteinander interagieren, haben wir Medienschaffende dazu angeleitet, sich mit wissenschaftlichen und praktischen Aspekten interkultureller Kommunikation auseinanderzusetzen. Parallel zu meiner Taetigkeit im Suedosteuropaeischen Medienzentrum habe ich in Frankfurt [Oder] eine praktische Ausbildung zum Mediator durchlaufen und 2004 zum Thema >Interkulturelle Mediation< promoviert. Auf diesem Gebiet forsche ich auch heute noch empirisch und theoretisch. Parallel biete ich praktische Trainings zur interkulturellen Mediation an. Besonders spannend fand ich es immer wieder, zu beobachten, wie Personen, die ueber unterschiedliche kulturelle Herkuenfte verfuegten oder diese fuer sich beanspruchten, miteinander interagieren, welche Vorannahmen, Missverstaendnisse, aber auch Uebereinkuenfte unter ihnen getroffen und ausgehandelt werden. Bis heute besteht eines der spannendsten Beobachtungsfelder fuer mich in der internationalen, insbesondere deutsch-polnisch zusammengesetzten Studierendenschaft der Viadrina in Frankfurt [Oder]. Uebertragungen und Umsetzungen unserer theoretischen Annahmen im Studiengang Interkulturelle Kommunikation finden sich an der Viadrina bereits heute in grosser Zahl. Deutsche und polnische Sprachkurse fuer Studierende, Universitaetsmitarbeiter und weitere Interessierte werden permanent angeboten und finanziell stark gefoerdert. Diese Kurse zeichnen sich in den meisten Faellen durch eine besondere Anwendungsbezogenheit auf den Kontext an der Viadrina aus, d.h. sie verhelfen gezielt zu einer moeglichst frueh einsetzbaren muendlichen Verstaendigungskompetenz, die man im deutsch-polnischen Hochschulkontext schnell ausprobieren kann. Es waere gleichzeitig wohl etwas anmassend, von uns selbst zu behaupten und zu beanspruchen, dass die Universitaet als erfolgreiches Beispiel der kulturellen Annaeherung unter Studierenden verstanden werden kann. Einerseits werden wir haeufig am Prozess der deutsch-franzoesischen Verstaendigung gemessen, der heute als viel fortgeschrittener und als erfolgreich angesehen wird. Das wird dann haeufig teleologisch in uns hinein projiziert, und uns wird bescheinigt, dass wir auf dem besten Weg seien. Eventuell kann sich die deutsch-polnische Verstaendigung aber auch ganz anders gestalten, und dafuer wollen wir offen sein und bleiben. Denn auch die mittlerweile 14 Jahre alte >neue< Viadrina hat seit ihrer Gruendung einen permanenten Entwicklungs-, Wandlungs- und Lernprozess durchgemacht. Wir haben gelernt, dass es nicht ausreicht, eine deutsch-polnisch orientierte Universitaet an einem dafuer gut geeigneten geografischen Ort einzurichten, eine internationale Studierendenschaft zu gewinnen und dann darauf zu vertrauen, dass diese sich untereinander so gut versteht und nahe kommt, dass daraus ein deutlicher Beitrag zur Voelkerverstaendigung entsteht. Im Gegenteil kann ein unvorbereiteter, unbetreuter, aber permanenter interkultureller Kontakt sogar zu einer gegenseitigen Abschottung und Separation fuehren. Fuer viele Studierende ist es schlicht leichter, sich nur mit ihren eigenen Landsleuten anzufreunden. Da gibt es keine Sprachschwierigkeiten, und man hat einen enormen gemeinsamen Erfahrungshintergrund. Interkulturelle Kommunikation kann dagegen einfach anstrengend sein. Sie stellt keinen Wert an sich dar, bei dem man davon ausgehen darf, dass sich jeder eigentlich dafuer interessieren muesste. Unsere Aufgabe an der Viadrina sehe ich daher darin, interkulturelle Interaktionen unter den Studierenden zu erleichtern, zu ermoeglichen und zu unterstuetzen, nie aber zur Norm zu machen. Nicht zuletzt deswegen arbeiten wir derzeit dran, ein Studienangebot zu implementieren, das interkulturelle Kommunikation explizit thematisiert. Inzwischen hat sich hierzu ein Klima an der Viadrina ermoeglicht, die eine so explizite Auseinandersetzung erst ermoeglicht. Das ist nicht selbstverstaendlich, und zum Zeitpunkt der Gruendung der Universitaet waere es eventuell noch von allen Seiten als Affront abgelehnt worden. Als Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Viadrina koordiniere und leite ich derzeit den Aufbau eines Studienangebots im Bereich interkultureller Kommunikation der kulturwissenschaftlichen Fakultaet in Zusammenarbeit mit unserer polnischen Partneruniversitaet, der Adam-Mickiewicz-Universitaet in Poznan. Dabei moechten wir unsere Erfahrungen, die wir mit dem Suedosteuropaeischen Medienzentrum in der Balkanregion gemacht haben, auch auf die deutsch-polnische Grenzregion anwenden und uebertragen. Das Collegium Polonicum, eine gemeinsame Einrichtung der Universitaeten Poznan und Frankfurt [Oder] in Frankfurts Nachbarstadt Slubice, scheint uns ein idealer Studienort zu sein, um interkulturelle Kommunikation nicht nur zu studieren, sondern sich auch in einer internationalen Studierendenschaft zu erfahren.

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