Konsumiere Deine Kritik!

Junge, rebellierende Menschen ziehen durch die Strassen. In ihren Gesichtern drueckt sich Empoerung aus, in ihren Haenden halten sie Plakate mit Forderungen wie>Plant More Flowers!< oder>Legalize The 4-Day-Weekend!<; sie recken ihre Faeuste. An ihren Koerpern T-Shirts, abgetragene Lederjacken, um den Hals geschlungene Wollschals, blinkende Nietenguertel und natuerlich Jeans, immer irgendwie verwaschen oder von anderen Abenteuern gezeichnet, laessig einige Zentimeter unterhalb der schlanken Hueftknochen haengend. In ihrer Erscheinung duerfte die Szenerie, auf einer Fotografie abgebildet, eine vertraute sein. Vielleicht ist es die Presseaufnahme von Globalisierungs- oder Kriegsgegnern irgendwo in Kanada oder Brasilien, vielleicht auch eine Aufnahme der Studentenproteste der 68er. Nicht ganz: Der dargebotene Protest entstammt einem Werbeplakat von Diesel, mit dem das Unternehmen 2005 unter der Ueberschrift >Action< fuer seine Jeans geworben hatte. Natuerlich war die Diesel-Werbung nicht die erste, die sich der Praktiken und Symbole jugendlicher Protestkultur bediente, um die Aesthetik der rebellischen Kraft zu Zwecken der Werbung zu nutzen. Neu an dieser >Plakataktion< war allein die vollstaendige Offenheit, mit der der Konzern auf den urspruenglichen Kontext verwies, aus dem die Codes entnommen worden waren. Neu war auch die Radikalitaet der Umdeutung der Zeichen – die eigentliche Aussagekraft politischer Forderungen wurde als eine bloss aesthetische dargestellt. Diese Werbung geriet damit zum besten Beispiel fuer das, was bekanntes Inventar postmoderner Zeitkritik ist und unter anderem vom britischen Literaturwissenschaftler Terry Eagleton vielfach verkuendet wurde. Denn es sind gerade die im kritischen Aufbegehren enthaltenen romantischen Sehnsuechte nach einer besseren Welt, die zu Zwecken des Produktmarketings laengst zum unverzichtbaren Instrumentarium der werbenden Industrie geworden sind. Angesichts einer solchen, der Kultur innewohnenden Dialektik, muss zu Recht nach den Moeglichkeiten von Kritik gefragt werden.

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