Herr West probiert was Neues

Gruselige Sounds knistern aus den Boxen: eine einsame Bassdrum, blechern. Ein Chor aus elektro-menschlichen Stimmen. Ein befreiender Durakkord vom Klavier. Ein Herzschlag aus zwei Toenen setzt ein. Eine verfremdete Stimme produziert Worte.

Sie schweben ueber diesem zerbrechlichen Gewebe aus Klaengen wie ein Gebet. Die Worte wiederholen sich >Hey, hey, hey, hey don’t say you will< heisst es immer wieder. Wenig spaeter: >When I grab your neck I touch your soul<. Was? Ja, so zart klingt Kanye West jetzt. Ein gereifter Mann, der aus seinem Zitatesaeckchen ein paar neue Ueberraschungen vorgekramt hat. Anscheinend unter grossen Gefuehlsaufwallungen. Sogleich ist von Neuerfindung die Rede. Auf >808s And Heartbreak< geht’s um die ganz grossen Gefuehle, ganz minimalistisch vorgetragen. Weswegen auf dem Cover des Albums auch ein verschrumpeltes Luftballon-Herz prangt. Hip Hop ist vorbei, gerappt wird kaum noch. Nur noch mystisch geschrabbelt – untermalt von Celli und Gaensehautchoeren, harten Trommeln und Klaviergehaemmer – irgendwo zwischen Afrika und Chicago. Allesneualso. Naja bis auf Kanyes Stimme. Die bearbeitet er immer noch mit Autotune. Vermutlich wuerde es sonst allzu sehr menscheln.

Es geht also um Herzbrueche. So steht’s vorne drauf und das Wort >heart< taucht auch in jedem zweiten Songtitel auf. Doch hoert man ein zweites Mal hin, faellt auf: So zart ist das alles gar nicht. Eigentlich ist Krieg. Schaut man sich das Video zur ersten Auskopplung an, dann checkt man’s gleich: Dieser Mann hat keine Lust auf Traenen, der will fighten. Durch den Clip jagen ihn Afro-Armeen: Frauen mit Glatzen und Kriegsbemalung. Er als einziger Mann im weissen Anzug – klare Rollenverteilung. Dass ihm wirklich der Gefuehlsschuh drueckt, schimmert manchmal durch. Naemlich dann, wenn die Stimme so sehr verzerrt wird, dass sie fast schon wieder echt klingt.

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