Der 1970 gestartete >Tatort< ist die am längsten laufende und derzeit auch beliebteste Krimireihe im deutschen Sprachraum. Seit etwa genauso langer Zeit ist das Internet in der Entwicklung begriffen und inzwischen auf dem besten Wege selbst zum Tatort zu werden. Auch und gerade, was die Aufmerksamkeitsökonomie anbetrifft. Medienwissenschaftler Caspar Clemens Mierau kommentiert.
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Sonntag ist Tatort-Tag, da bin ich ganz traditionell. Gerade ist die Sommerpause mit Wiederholungen ueberstanden, da greift die Bundestagswahl ins sonntagliche Ritual ein und setzt statt des Griffs in die Krimi-Lostrommel >Das TV-Duell< auf den Programmplan. Unverzeihlich.
Der Tatort-sehende Leser wird es verstehen. Lieber einen schlechten Film als >DasSteinwurf< entfernt. Dessen Fehlen ist diesmal der eigentliche Skandal und verwandelt das sonntaegliche Internet in eine brodelnde Geruechtekueche.
Ganztaegiger Tatort
Die Rede ist von einem Vorfall auf der ueberraschend gut besuchten [und meiner Ansicht nach leider schlecht betitelten] Demonstration >Freiheit statt Angst< Ein Video, das sich grassierend im Internet verbreitet, zeigt den Vorfall – und dennoch macht der Film auch bei aber- und abermaligem Betrachten ratlos. Was kann der Passant gesagt haben, um so geschlagen zu werden?
Doch lassen wir diese Fragen beiseite. Der Vorfall und dessen virale Kommunikation durch Blogs und Twitter-Feeds las sich wie ein Online-Krimi. Das unterhaltsame Moment in diesem Politikum ist weniger der Skandal, als vielmehr die teils im Sekunden-Takt eintreffenden, sich zitierenden und erweitertenden Nachrichten quer durch das Netz.
Das Internet ist neben dem unvergesslichen Wissensspeicher eben auch ein zeitbasiertes Medium, das seinen ganz eigenen Film abspielen kann. Mehrgleisig natuerlich, interaktiv, aber richtig zu konsumieren nur in Echtzeit. Und der Sonntag – er wurde ganztaegig zum Tatort. Internet killed the Krimi-Star.
Anm.d.Red: Das Bild stammt von Kyle McDonald und steht unter einer Creative Commons-Lizenz.
“Internet killed the Krimi-Star” — das ist ein treffender Titel für diesen Text!