Intellektuelles Fastfood

Es herrscht Wahlkampf in den USA und in Deutschland. Steinmeier ist Kanzlerkandidat der SPD fuer die Bundestagswahl im naechsten Jahr. Die Duos Obama/Biden und McCain/Palin kaempfen um die Praesidentschaft in den USA. Steinmeier spricht und denkt in meiner Muttersprache, ich habe ihn neulich auf einer Podiumsdiskussion erlebt. Mir hat seine unaufgeregte, manchmal ironische Selbstsicherheit gefallen. Und dennoch habe ich das Gefuehl, Barack Obama besser zu kennen.

Vielleicht ist das so, weil dieser Mann keine Privatsphaere hat. Oder sagen wir, er teilt sie mit mir und den Milliarden von anderen Mediennutzern auf dieser Welt. CNN uebertraegt den Parteitag der Demokraten.

Ich sehe den Papa Obama, der auf einer Videoleinwand zu seiner Familie spricht und St. Louis mit Kansas City verwechselt. An der Supermarktkasse begegnet mir John McCain mit Frau und seinen sieben Kindern auf dem People-Cover. Hat Steinmeier Kinder? Sarah Palin hat sogar eins mit Down-Syndrom. Ich glaube sie alle zu kennen. Von Youtube, CNN, der Daily Show, dem People Magazine, vom Pro Obama-Stand auf dem Bauernmarkt. Es ist eine Seifenoper, der man nicht entkommen kann. Mittlerweile weiss ich, dass die McCain-Kinder nachts anrufen muessen wenn sie ausgehen, aber kenne ich die Position ihres Vaters zur Energiepolitik? Ein Grossteil der Medienlandschaft der USA speist ihre Konsumenten gern mit lauwarmen Pseudovertraulichkeiten aus dem Privatleben der Kandidaten ab.

Was kann passieren? Eine amerikanische Mom steht an der Urne und macht ihr Kreuz fuer den Papa Obama, der Heranwachsende waehlt McCain, weil dessen Soehne – so cool – bei der Navy sind. Es ist eine Seifenoper, bei der Inhalte auf der Strecke bleiben. Intellektuelles Fastfood, gepaart mit dem truegerischen Gefuehl an der Wahlurne eine gut informierte Entscheidung treffen zu koennen. Und Steinmeier? Ich bin froh, dass ich nicht weiss, ob seine Frau uebergewichtig ist oder ob er bei der Geburt seiner Tochter dabei war. Im Prinzip will ich mit all dem nicht belaestigt werden. Auch weil ich mich auf diese Weise der Privatlebenbeschau entziehen kann und kein Mitleid mit den Kandidaten haben muss. US-amerikanische Verhaeltnisse in Deutschland? Bitte nicht beim Wahlkampf.

Ein Kommentar zu “Intellektuelles Fastfood

  1. Hallo Franziska!

    Mir gefällt dein Artikel sehr gut – er spricht vieles aus, was ich ebenso sehe! Nur einen Änderungsvorschlag hätte ich für die letzten beiden Sätze.. moment.. eben.. : “US-amerikanische Verhaeltnisse in Deutschland? Bitte nicht.”
    [kleiner Scherz.. ;-)]

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