Eine Bewegung schreibende Schrift

Im ICE nach Freiburg hatte ich kuerzlich eine besondere Begegnung: In meinem Abteil reiste eine Gruppe gehoerloser Jugendlicher, die sich lebhaft miteinander unterhielten. Sie benutzten dazu die Gebaerdensprache, die fuer einen Hoerenden immer etwas Vertrautes und Fremdes zugleich hat. Das Schoene an dieser Sprache ist, dass die Menschen gezwungen sind, einander anzusehen, wenn sie sich etwas zu sagen haben. Sie funken einander Zeichen, die sich zusammensetzen aus gestischen und mimischen Elementen – eine Kommunikationsform, die in Deutschland nach langem Kampf im Jahr 2001 endlich gesetzlich anerkannt wurde.

Mittlerweile gibt es verschiedene Methoden, die Gebaerdensprache schriftlich zu fixieren. Im Grunde funktioniert das wie bei der Notation von Choreografien: eine Bewegung schreibende Schrift, mittels genau definierter Piktogramme. Wie die Lautsprache unterscheidet sich auch die Zeichensprache von Land zu Land, es gibt die Deutsche, die Franzoesische, die Oesterreichische Gebaerdensprache, die American Sign Language und als Reaktion auf die viel gepriesene Globalisierung in zunehmendem Masse auch die Internationale Gebaerdensprache. Aber was passiert, wenn die Kultur, in der ich lebe, mit der ich mich identifiziere, vor allem an das gesprochene Wort gebunden ist, das ich nicht hoeren kann?

Theater, Konzerte, Kino, Konferenzen – all das bestimmt den >Alltag< von Menschen mit gesunden Sinnesorganen. Und so gibt es unter den Gehoerlosen eine ganz eigene Kultur, die sich auf Veranstaltungen wie den alle vier Jahre stattfindenden Deutschen Kulturtagen der Gehoerlosen oder dem Berliner Gebaerdensprachfestival Raum verschafft. Einmal mehr die Gelegenheit, seine Wahrnehmungsdimension ein wenig zu oeffnen fuer eine ganz andere und doch vertraute Welt – mit Fragen und Problemen, die einem noch nie in den Sinn gekommen sind, aber auch mit denjenigen, die sich jedem Menschen, ob blind, taub oder gesund einmal stellen.

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