Ich bin ein Medium

Click, Du hast mich geoeffnet. Vielleicht ist das heute das erste Mal? Wahrscheinlich nicht. Wahrscheinlich kennen wir uns schon laenger. Mein Format hast Du vermutlich schon schaetzen gelernt, denn ich gehe oekonomisch mit Deiner Zeit um. Ich bin ephemer, fluechtig. Nachdem Du mich gescannt hast, legst Du mich vielleicht irgendwo ab oder loeschst mich direkt nach der e-Speed Lektuere.

Als ein Medium der Briefkultur verbinde ich Altes mit Neuem zwischen Schrift und gesprochenem Wort. Es ist teilweise mehrdeutiger Journalismus in Minimalversion gezippt, wobei ich inmitten des anonymen Spamming der eintreffenden Emails mit wenigen Zeilen eine wohldosiert persoenliche Athmosphaere bereite. Vielleicht hast Du auch einen Ordner fuer mich angelegt, der meine Entwicklung nachzeichnet und die Lektuere wiederholbar macht.

Das Ausloten meiner noch jungen Netzidentitaet jenseits des Newsletters ist auch ein Spiel um Distanz und Naehe. Nachdem ich ein halbes Jahr zuvor zum ersten Mal in Deinem elektronischen Briefkasten in Berlin, Wien und Tokio erschienen war, naeherten wir uns in der Weihnachtszeit 2000 vorsichtig an. Ich schmierte Dir Butterbrote: >Und nun Proviant fuer die kommenden Tage.< Statt wie sonst die High-Tech-Sekretaerin zu performanen, die Dich per Emailbrief terminlich konfigurierte: >Fuer die kommenden Tage waeren folgende Veranstaltungen im Terminkalender aufzunehmen<, fasste ich mir im Sommer 2001 ein Herz und sprach Dich an. Vielleicht war das zu persoenlich, jedenfalls hast Du eine Email zurueckgeschickt: >Warum Duzen Sie ihre Leser eigentlich?< Print, das war fuer den Ecoschen exemplarischen Leser. Du bist der empirische. Via Rueckkanal ueberschreitest Du Deine Identitaet als Rezipient und wirst zum Gast, zum Akteur. Als Figur der Kultur- und Medienlandschaft bist Du seit dem Beginn unserer fernmuendlichen elektronischen Brieffreundschaft eingeladen, einen subjektiven Erlebnisbericht ueber die lokale sowie mentale Oeffentlichkeit des Berliner Parcours zu schreiben. So hast Du mein Fomat mitgepraegt, meine noch junge Identitaet zwischen unverbindlichem Mini-Feuilleton und persoenlichem Rundbrief. Virtueller Treffpunkt ist Deine Emailbox als Schnittstelle zwischen Oeffentlichkeit und Privatheit. Mein Impressum liest sich, wie Medienaktivist Gerrit Gohlke feststellte, wie die Spur einer Vernetzung, einer organisch gewachsenen Mikro-Oeffentlichkeit oder eines sozialen Kontextes. Kritisiere ich damit etablierte Formate kultureller Produktion? Ich bin wohl eher aus einem inneren Interesse nach Verdauung, Nacherzaehlung und Reflektion denn einer aeusseren Notwendigkeit oder Rechtslage entstanden. Die Aufforderung zur Interaktion ist aber nicht frei flottierend. Wie gesagt, ich bin ephemer, aber nicht durchlaessig und beliebig osmotisch wie eine Membran. Ich gebe den Plot vor, das Setting. Nicht Rauschen sondern Kuration unter Praemissen. Cartoons, Analysen und Ansichten ueber Cybertrends, gesellschaftliche Phaenomene und kultur-politische Ausnahmezustaende bestimmen meinen monatlich wechselnden Betreff. >du< ist die Tangente in diesem Monat, persoenlicher Informationskanal im oeffentlichen Diskurs.

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